Hueter Der Macht
versorgen.«
Ihre gute Laune hatte Thomas angesteckt – der heilige Michael musste ihm diese Frau geschickt haben! –, und er erwiderte ihr Lächeln.
»Ich bin tatsächlich hungrig, Frau Odile, und würde eine ganze Decke verzehren, wenn Ihr sie für mich weich kocht.«
Sie brach in Gelächter aus und…
– einen Augenblick lang glaubte Thomas das Gesicht einer anderen Frau über Odiles zu sehen… das einer jüngeren Frau, mit einer leuchtenden Wolke bronzefarbenen Haars und unendlich traurigen, dunklen Augen –
… ergriff Thomas ein wenig zu vertraulich beim Arm. Dieser war über die plötzliche Erscheinung jedoch noch zu überrascht, um sich zu wehren.
Odile führte ihn zu einem Haus, das ein wenig abseits von den anderen stand und wesentlich größer war. Sie bemerkte den Ausdruck auf Thomas’ Gesicht, als er das Haus sah.
»Das ist das Haus meiner Eltern, und als mein Conrad mich zur Frau genommen hat, hat er noch einen weiteren Anbau hinzugefügt, seht Ihr? Und er hat den Dachboden und die Scheune errichtet. Wir leben recht gut.«
Dann wandte sie sich wieder zu ihm um, lächelte und sagte: »Ich habe wahrlich einen Schutzengel.«
Damit traten sie ins Haus.
Es war ein typisches Bauernhaus, wenn auch etwas geräumiger. Es gab keinen Schornstein, und der Rauch der Feuerstelle entwich durch ein kleines Fenster an der Seite.
Ein Großteil davon. Der Rest zog durch die Innenräume und hatte allem ein leicht düsteres Aussehen verliehen.
Über dem Feuer befand sich ein Dreifuß mit einem Topf. Daraus stieg ein solch aromatischer Duft auf, dass Thomas augenblicklich das Wasser im Munde zusammenlief. Brot vom Dorfofen lag in ein Tuch eingewickelt daneben, und davor stand eine Schüssel mit Bohnen.
Um das Feuer herum waren mehrere Schemel und zwei Bänke aufgestellt. An einem Ende des Zimmers befand sich ein großes Bett mit Vorhängen und am anderen Ende standen mehrere Truhen an einer Wand, an der sich Haken zum Aufhängen der wenigen Kleider der Familie befanden. Verschiedene bäuerliche Arbeitswerkzeuge – Rechen, Schere, Sense und Sichel – lehnten an der Wand neben der Tür, und im restlichen Zimmer waren Alltagsgegenstände verstreut: eine Spindel, Körbe und Eimer, zerrissene Netze, die geflickt werden mussten, Lederzeug und Vorratstöpfe. Überall liefen Hühner umher, eine Gans war hier ebenso zu Hause wie zwei Katzen, die einer Maus hinterherjagten.
Odile schickte das kleine Kind, das sich an ihre Hand geklammert hatte, zu seinem Platz an der Feuerstelle, und der Junge kletterte gehorsam auf einen Schemel, ohne den Blick von seiner Mutter zu lassen, die den Säugling vom Rücken nahm und ihn in eine Krippe legte.
Sie drehte sich um und schenkte Thomas ein Lächeln, die Hände auf ihren gewölbten Bauch gelegt. »Ich hoffe, es wird ein Mädchen«, sagte sie und schnitt eine Grimasse. »Ein Mädchen könnte mir bei der Hausarbeit helfen, denn die Jungen werden mit Conrad auf den Feldern arbeiten, wenn sie alt genug sind. Nicht, dass ich sonderlich glücklich darüber gewesen bin, so kurz nach der Geburt des Kleinen schon wieder ein Kind auszutragen. Aber Conrad besteht auf seinen Rechten…«
Thomas setzte sich eilig auf den Schemel, den Odile ihm angeboten hatte, und hoffte, dass sie sich nicht noch weiter über Conrads Gelüste ausließ, als dieser selbst hereinkam.
Er war ein großer Mann, muskulös, mit einem dunklen Bart, und er grunzte in Thomas’ Richtung, als Odile ihm erklärte, warum der Mönch bei ihnen war. Dann ließ er sich auf dem Schemel neben Thomas nieder, rülpste und pulte sich mit dem Daumennagel in den Zähnen.
»Odile hat einen Schutzengel«, sagte er mit schwerem deutschem Akzent, dann verfiel er in Schweigen und starrte ins Feuer.
Thomas überlegte, was er darauf erwidern könnte, doch dann wurde ihm klar, dass Conrad gar keine Antwort erwartete.
Also begnügte auch er sich damit, ins Feuer zu blicken, während Odile eine einfache Mahlzeit für sie zubereitete.
Als sie mehrere Portionen davon in ausgehöhlte Brotstücke zu löffeln begann, kam ihr Sohn Wolfram herein.
»Ich habe das Pferd abgerieben«, sagte er mit gesenktem Blick, »und gefüttert.«
»Ich danke dir«, sagte Thomas und versuchte, eine kleine Münze aus seinem Geldbeutel in die Hand des Jungen gleiten zu lassen.
»Oh, nein, nein, das ist nicht nötig«, sagte Odile. »Bitte, steckt Eure Münze wieder ein! Ihr braucht uns nicht zu bezahlen. Warum…«
»Ich weiß, ich weiß«, sagte
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