Hueter Der Macht
immer wieder einknickte, und seine Dummheit, weil er nicht auf die Idee gekommen war, sich noch vor dem Einschlafen einen Knüppel zu schneiden.
Er stützte sich mit einer Hand am Stamm der Buche ab, rieb und knetete sein treuloses linkes Bein mit der anderen und blickte sich um.
Er sah das Pferd, das starr und mit rollenden Augen dastand, den Blick auf eine Stelle in etwa dreißig Schritten Entfernung gerichtet.
Dort ragte eine riesige Eiche auf, von deren breitem Stamm ein silbriges Leuchten ausging.
Kobolde? Feen? Elfen?
Schlimmeres?
Schließlich konnte Thomas sein Bein wieder spüren und machte ein paar humpelnde Schritte vorwärts, auf der Suche nach irgendetwas, das er als Waffe benutzen konnte.
Plötzlich schnaubte das Pferd erneut, und Thomas blickte hoch.
Ein riesiger Eber mit spitzen Hauern war hinter der Eiche hervorgetreten und kam steifbeinig und mit gesenktem Haupt auf Thomas zu.
Er strahlte ein seltsames, überirdisches Licht aus.
Thomas starrte ihn an, von Furcht wie gelähmt. Wilde Eber waren die gefährlichsten Geschöpfe in dieser rauen Gegend.
Da musste ein dämonischer Eber noch unendlich gefährlicher sein.
Thomas, flüsterte der Eber und schwang bedrohlich den Kopf hin und her.
Thomas wich zurück, bis er den Stamm der Buche im Rücken spürte.
Thomas.
Die Hände des Mönchs fuhren tastend über den Stamm, in der verzweifelten Hoffnung, einen losen Zweig zu finden… irgendetwas… das er als Waffe benutzen konnte.
Thomas, du reist an einen gefährlichen Ort. Nimm dich in Acht.
Und damit verschwand die Erscheinung und der Mönch blieb zitternd und schweißüberströmt zurück und fragte sich, ob der Eber der heilige Michael gewesen war oder irgendein dämonisches Trugbild, das ihn verwirren sollte.
Lange saß er hellwach da, bis er schließlich in den kalten Morgenstunden in einen tiefen Schlaf sank.
Kapitel Sechs
Der Freitag vor dem fünften Sonntag nach dem Fest
der Dreifaltigkeit
Im einundfünfzigsten Jahr der Regentschaft Eduard III. (16. Juli 1378)
– I –
Thomas erwachte mit einem Ruck.
Etwas Warmes und Feuchtes glitt über sein Gesicht, und er schlug fluchend mit der Hand danach.
Sein Pferd schnaubte erschrocken und wich zurück, und Thomas gelang es endlich, die Augen zu öffnen.
Es war nur sein Wallach gewesen. Vielleicht hatte er sich einsam gefühlt und sich nach der Gesellschaft seines Gefährten gesehnt.
Thomas stand langsam auf und entschuldigte sich mit ein paar sanften Worten bei dem Pferd.
Was war letzte Nacht geschehen?
Er erinnerte sich, dass er aufgewacht war und den überirdischen Eber gesehen hatte.
Was hatte der Eber gesagt… er befand sich in Gefahr? Nun, Gefahren gab es überall, und der Eber, was oder wer auch immer er gewesen war, hatte ihm nichts gesagt, was er nicht schon gewusst hätte.
Thomas schüttelte den Kopf, um ihn von der letzten Schläfrigkeit zu befreien. Er erinnerte sich nicht, was danach geschehen war; es kam ihm so vor, als sei er auf der Stelle wieder in tiefen Schlaf gesunken.
»›Nimm dich in Acht‹«, murmelte Thomas, während er sich trockene Blätter von seinem Umhang wischte. »Wovor? Vor Asterladen? Oder Wynkyns Versteck?«
Sein Magen knurrte, und Thomas seufzte und rieb sich das Gesicht, um wach zu werden. Er brauchte etwas zu essen, ein warmes Feuer und einen guten Pferdeknecht, der sich um seinen Wallach kümmerte.
Thomas stöhnte über die Steifheit in Gliedern und Rücken, hob Sattel und Zaumzeug auf und pfiff das Pferd herbei.
Wie sich herausstellte, war Asterladen nur einen halben Tagesritt entfernt, und Thomas erreichte das Dorf zur Mittagszeit, nachdem ein freundlicher Hausierer, dem er gleich nach seinem Aufbruch begegnet war, ihm den Weg dorthin gewiesen hatte. Es war ein großes Dorf, etwa eine Meile von der Straße entfernt. Ungefähr dreißig gepflegte Steinhäuser, deren steile Dächer mit Schieferplatten gedeckt waren, standen um einen Anger herum, auf dem kleine Jungen Gänse grasen ließen und Mädchen auf dreibeinigen Schemeln saßen und friedliche, dicke Schafe molken.
Ein Bauer, dessen Rock und Gamaschen die Spuren der morgendlichen Feldarbeit trugen, trat gerade aus seinem Haus und sah ihn neugierig, wenn auch nicht übermäßig freundlich an.
»Ich wünsche Euch einen guten Morgen«, sagte Thomas auf Latein und erkannte sofort, dass er einen Fehler gemacht hatte, als der Bauer ihn verständnislos anblickte.
Thomas unterdrückte ein Seufzen. Er war so
Weitere Kostenlose Bücher