Hueter Der Macht
sehr den Umgang mit Menschen gewohnt, die in der überall verbreiteten Sprache Latein bewandert waren, dass er nun angestrengt überlegen musste, um ein paar Worte zu finden, die der Bauer verstehen würde.
»Guten Morgen, Mann«, versuchte er es noch einmal, diesmal auf Deutsch mit schwerem Akzent.
Zum Glück hatte er sich auf seiner Reise in den Norden ein wenig mit Marcels deutschen Wachen unterhalten.
Der Mann nickte ihm nur zu, seine Augen argwöhnisch zusammengekniffen.
»Nun, ich wollte gern…« Thomas dachte nach und versuchte, sich an die richtigen Wörter und Formulierungen zu erinnern. »Ich wollte fragen, ob ich Euch um eine kleine Mahlzeit und etwas zu trinken bitten kann.«
»Verschwindet!«, schrie der Mann, sein Gesicht war mit einem Mal feindselig. »Ihr Pack habt hier nichts verloren! Eure Herren sind reich genug, um Euch zu versorgen, geht und bettelt bei ihnen!«
Thomas fragte sich, ob er dem Mann eine Münze anbieten sollte, entschied sich jedoch aus zwei Gründen dagegen. Zum einen war es die Pflicht eines jeden Christen, einem Geistlichen Essen und Unterkunft zu gewähren, und zweitens wollte Thomas nicht, dass dieser Mann – oder seine Nachbarn – wusste, dass er an seinem Gürtel einen Beutel mit Gold trug.
»Ich bitte Euch im Namen des Heilands«, versuchte Thomas es noch einmal, doch der Mann machte zwei Schritte auf ihn zu und fuchtelte bedrohlich mit der Hand.
»Verschwindet! Wir haben schon genug Sorgen, auch ohne solche wie Euch durchfüttern zu müssen.«
Herr im Himmel! Thomas hatte Geschichten darüber gehört, wie sehr die Deutschen die Steuern und Gebühren verabscheuten, welche die Kirche ihnen abverlangte, doch bis jetzt war ihm nicht bewusst gewesen, wie stark diese Abscheu war.
»Dann werde ich mich an jemand anderen wenden«, sagte Thomas. »Aber ich wollte Euch gern noch fragen, ob Ihr wisst…«
»Packt Euch!« Der Mann ergriff das Zaumzeug von Thomas’ Pferd und versuchte, den Kopf des Wallachs herumzuziehen.
Thomas war mit seiner Geduld am Ende. Er streckte die Hand aus, packte den Arm des Mannes und verdrehte ihn.
Der Mann ließ das Zaumzeug los und brüllte vor Schmerz auf.
Aus den Augenwinkeln sah Thomas mehrere andere Männer herbeilaufen und fluchte innerlich. Was hatte er getan? Jetzt würde er gar nichts in Erfahrung bringen…
»Ernst«, sagte die Stimme einer Frau, »er ist nur ein Mönch, der ein wenig Wärme und etwas Hafersuppe braucht. Er wird uns sicher nicht die Haare vom Kopf fressen.«
Dann sprach die Frau Thomas überraschenderweise auf Latein an. »Guter Mönch, ich bedaure die übereilten Worte und Taten meines Nachbarn Ernst. Hättet Ihr die Güte, mir und meinem Mann beim Essen Gesellschaft zu leisten?«
Thomas wandte schließlich den Blick von Ernst ab, der in einiger Entfernung dastand, sich den Arm rieb, leise mit den Männern redete, die ihn umringten, und der Frau, die neben das Pferd getreten war, finstere Blicke zuwarf.
Die Frau war um die dreißig, hatte ein breites, freundliches Gesicht mit geröteten Wangen, neugierige Augen von der gleichen Farbe wie ihr dunkelbraunes Haar und einen Fünfmonatsbauch, der ihr Gewand ausfüllte. Ein einjähriger Säugling schlief in einem Tragetuch auf ihrem Rücken und ein kleiner Junge klammerte sich an ihre Hand.
»Ihr sprecht ein hervorragendes Latein, gute Frau«, sagte Thomas. »Wo habt Ihr das gelernt?«
»Ach«, sagte die Frau, lächelte und entblößte dabei überraschend gute Zähne für eine Bauersfrau. »Ich habe einen Schutzengel im Leben und so einiges lernen können. Mein Name ist Odile und mein Mann heißt Conrad. Bitte, werdet Ihr uns in unserem Haus beehren? Es ist bescheiden, aber warm, und wir haben einen Platz, wo Ihr Euch niedersetzen und einen Teller, von dem Ihr essen könnt.«
»Ich danke Euch, Odile. Aber… ich will die Nachbarn nicht gegen Euch aufbringen.«
»Ach«, sagte Odile, drehte sich gleichmütig um und beruhigte die missmutig aussehenden Männer mit einer Handbewegung. »Sie werden mir und den meinen diesen Akt der Gastfreundschaft nicht übelnehmen.«
Da fiel ihr Blick auf einen achtjährigen Jungen, der neugierig zu ihnen herübersah. »Wolfram! Komm her und kümmere dich um das Pferd des Mönchs.«
Wolfram kam zu ihnen herüber und nahm Thomas schüchtern die Zügel ab. Dieser war abgestiegen, nachdem die Männer sich zurückgezogen hatten.
»Wolfram ist mein Ältester«, sagte Odile, »und ein verständiger Junge. Er wird Euer Reittier gut
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