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Hüter der Macht

Hüter der Macht

Titel: Hüter der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Geschäfte der Medici-Bank aus.
    Ruhm und Reichtum der Familie zu mehren … Cosimo atmete tief durch. Das war unbestritten eine überaus ehrenvolle Aufgabe, aber lag darin der einzige Sinn seines Daseins? Gab es nicht noch andere Werte und Ziele in dem kurzen Leben, das ihm wie allen Menschen auf Erden vergönnt war?
    Ja, die gab es. Auf Cosimos Gesicht legte sich ein leises Lächeln. Für ihn waren sie verbunden mit dem Studium der antiken Philosophie und Kunst, den Schriften von Aristoteles oder Plinius.
    Seine Leidenschaft für die Antike teilte er mit einem kleinen Kreis von Freunden. Einer von ihnen war Poggio Bracciolini, ein überaus belesener Mann, zudem ein exzellenter Redner und der Verfasser gelehrter Schriften, der mittlerweile der mächtigen Gilde der Notare angehörte.
    Poggio Bracciolini genoss einen ausgezeichneten Ruf in Florenz und er hätte eine gewichtige politische Rolle spielen können, aber er trieb sich lieber in der Welt herum, um in Cosimos gut bezahltem Auftrag nach verschollenen Manuskripten zu suchen.
    Poggio stand Cosimo von all seinen Freunden besonders nahe, schon wegen seines allseits lebensfrohen Naturells, seines Charmes und seines sprühenden Humors. Aber was er ganz besonders an ihm schätzte, waren seine Hartnäckigkeit, sein Spürsinn und sein Einfallsreichtum, wenn es darum ging, für ihn ein Manuskript an irgendeinem fernen Ort aufzutreiben, von dem behauptet wurde, dass es wohl auf immer unauffindbar bleiben würde.
    Er griff zu einem Blatt Pergament und zur Feder, um ihm einen Brief mit einem neuen Auftrag zu schreiben. In Lübeck hatte sein Freund vor Kurzem in einer Bibliothek den aufregenden Fund einer seltenen Plinius-Schrift gemacht. In seinem Brief teilte er Poggio nun mit, welches Gerücht ihm unlängst zu Ohren gekommen war. Eine nicht weniger seltene Schrift des Livius sollte sich in einem Zisterzienserkloster bei Roskilde befinden.
    Nachdem er diesen Brief beendet hatte, wandte er sich mehr als eine Stunde lang den geschäftlichen Belangen zu, die auf seinem Schreibtisch darauf warteten, in Angriff genommen und entschieden zu werden.
    Das erste Tageslicht fiel rotgolden über das Landgut und drang in sein spartanisch eingerichtetes Arbeitszimmer, als er den Hufschlag eines Pferdes hörte und kurz aufblickte. Ein Reiter, bei dem es sich nur um den Morgenboten aus Florenz handeln konnte, kam in scharfem Ritt die gewundene Straße zum Anwesen herauf. Gleich darauf vernahm er die vertrauten Stimmen eines Stallknechtes und seines sechs Jahre jüngeren Bruders Lorenzo, die den Boten empfingen.
    Wenig später klopfte es an seine Tür. »Der Morgenbote, Cosimo!«, rief Lorenzo munter und trat mit einem Stoß versiegelter Briefe in der Hand ins Zimmer. Zusätzlich baumelten noch Beglaubigungssiegel an Bändern von den Pergamentrollen herab.
    Dass Lorenzo seinen Bruder schon bei der Arbeit vorfand, verwunderte ihn nicht, kannte er ihn doch als Frühaufsteher. Eine Neigung, die er nicht mit ihm teilte.
    »Reichlich früh heute«, sagte Cosimo und beim Anblick seines recht stattlichen und gut aussehenden Bruders fuhr es ihm wieder einmal flüchtig durch den Sinn, dass die Natur es mit Lorenzo um einiges wohlwollender gemeint hatte als mit ihm. Seine Erscheinung konnte man eher durchschnittlich nennen. Dazu kam die leider recht kräftige Nase, die vielen, aber eben nicht allen Medici zu eigen war. Er tröstete sich jedoch damit, dass Geld und Macht ihr ganz eigenes Charisma besaßen, insbesondere bei Frauen.
    »Ist etwas Wichtiges dabei, das einer sofortigen Antwort bedarf?«
    Lorenzo reichte ihm die Schreiben. »Ich wollte dir nicht vorgreifen, Bruder«, sagte der jüngere, der von Kindesbeinen im Schatten seines viel fähigeren Bruders stand und früh gelernt hatte, die strenge Hierarchie in ihrer Familie zu respektieren. Und seit sich ihr Vater vor einigen Jahren aus dem aktiven Tagesgeschäft zurückgezogen hatte, war Cosimo das Haupt des Hauses Medici.
    »Dann lass uns mal sehen. Hier, nimm du dir diese beiden vor«, sagte Cosimo und reichte ihm zwei der Schreiben. Einer kam von ihrem Agenten in London, der andere vom Leiter ihrer Bankfiliale in Rom.
    Er nahm sich die drei anderen vor, darunter auch ein Schreiben aus Florenz von Ilarione de’ Bardi, dem Leiter der dortigen Medici-Bank, der sie über die Ereignisse und Gerüchte in der Stadt regelmäßig auf dem Laufenden hielt. Diese Informationen waren genauso wichtig wie die Avvisi zu den Wechselkursen, die zweifellos

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