Hüter der Macht
Brüder warfen sich einen schnellen Seitenblick zu, dann sagte Cosimo mit einem Anflug von Belustigung: »Wir wissen, dass Euch die Gicht mal wieder arg zusetzt, Vater, und wir wünschten nichts mehr, als dass dem nicht so wäre. Aber das mit Eurem Testament dürfte ja wohl noch reichlich Zeit haben!«
»Mag sein, mag auch nicht sein«, erwiderte der alte Mann mit einem Achselzucken. »Und ich habe auch nicht die Absicht, vor der Fertigstellung der neuen Sakristei von San Lorenzo, die von meinem Geld gebaut wird, vor unseren Herrn und Schöpfer zu treten. Ich will nicht nur sehen, was Brunelleschi da für uns baut, sondern dort auch zu Grabe getragen werden.«
»Euch wird gewiss das eine wie das andere vergönnt sein«, versicherte Cosimo.
»Das gebe Gott. Aber der Tod ist ein launischer Geselle, Cosimo! Auf das, was der Schippenmann zu tun oder zu lassen gedenkt, würde ich nicht mal einen Wechsel über einen Picciolo ausstellen! Jedenfalls ist es mir wichtig, dass ihr euch diese Direktiven, die euch in den Grundzügen nicht ganz fremd sein werden, nicht nur zu Herzen nehmt, sondern auch dafür sorgt, dass sie säuberlich abgeschrieben, an all unsere Filialleiter verteilt und später euren Söhnen mit allen anderen Usancen unserer Geschäftspolitik eingebläut werden!«
»Und um welche Direktiven handelt es sich dabei, Vater?«, erkundigte sich Lorenzo.
»Wir haben ja schon darüber gesprochen, als wir vor einigen Jahren unsere Beteiligung an unserer Niederlassung in Neapel, deren Kontrolle wir unserem Bankleiter in Rom unterstellt haben, in eine accomanda, eine stille Partnerschaft, umgewandelt haben.«
»Ja, weil es den Vorteil hat, dass wir für mögliche Verluste in der Zukunft nur mit der Höhe unseres eingebrachten Kapitals haftbar sind«, sagte Cosimo nickend.
»Und diesen Vorteil sollten wir uns bei möglichst vielen, wenn nicht gar bei allen Filialen sichern, insbesondere bei allen zukünftigen«, fuhr ihr Vater nun fort. »Mir ist klarer denn je geworden, dass nicht nur die gewissenhafte Auswahl unserer Filialleiter über das Wohl oder Verderben unseres Hauses entscheidet, sondern auch die Struktur unserer Organisation, die sich in immer mehr Länder ausbreitet.«
»Gottlob und Dank Eurer Weitsicht«, warf Lorenzo ein. Er war voller Respekt und Bewunderung für den alten Mann. Denn dieser hatte aus kleinsten Anfängen die Bank aufgebaut und das Haus Medici zu dem gemacht, was es jetzt war, nämlich zu einer der reichsten und mächtigsten Familien. Und zwar nicht nur allein in Florenz, sondern in der gesamten Christenheit. Sogar der Papst war nicht nur privater Kunde und Kreditnehmer bei ihnen, sondern hatte der Medici-Bank auch die Kontrolle über den Zufluss der Kirchensteuern aus allen christlichen Ländern nach Rom übertragen, und das war ein höchst profitables Geschäft, worum sie von den anderen Bankiers bitter beneidet wurden.
Sein Vater schenkte ihm ein schwaches Lächeln. »Es war ein hartes Stück Arbeit, aber die Zeiten sind für unsere Geschäfte nicht einfacher geworden. Deshalb heißt es, wachsamer denn je zu sein und möglichen kommenden Gefahren vorzubauen. Am besten ist das zu erreichen, indem jede unserer Bankniederlassungen eine eigenständige Gesellschaft ist, an der unseren Partnern vor Ort zusammen nicht mehr als vierzig Prozent der Anteile gehören. Wichtig ist auch, dass nicht die Familie Medici den Rest der Anteile besitzt, auch nicht unser Hauptsitz in Florenz, der den gleichen Rang wie die anderen Filialen haben soll, sondern eine streng getrennte übergeordnete Gesellschaft, für die wir eigene Räume in Florenz einrichten.«
Cosimo begriff sofort, was sein Vater meinte. »Damit kann dann eine große Zahl von Kapitalgebern als Partner gewonnen werden, am besten nicht mehr als zwei pro Filiale. Und zwei wichtige Personen könnten einen Direktorensitz in der Dachgesellschaft erhalten. Damit wäre dann garantiert, dass wir trotz begrenztem Eigenkapital und Risiko niemals die Kontrolle verlieren – weder über die einzelnen Filialen noch über die ganze Organisation.«
»So ist es«, bestätigte ihr Vater. »Aber es muss Sorge dafür getragen werden, dass sich alle Filialen an die Regeln und Vorschriften der Dachgesellschaft halten.«
Er winkte sie näher heran und erläuterte ihnen die wesentlichen Punkte auf den Pergamentbögen. Vor allem Cosimo stellte immer wieder Fragen und gemeinsam legten sie fest, was in Bezug auf die Umstrukturierung der Medici-Unternehmen, zu
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