Hüter der Macht
Weile darüber nach, für wie viele Florin dieser Mann wohl gut sein mochte. Der frisch gekürte Kirchenfürst brauchte dringend Geld, was nur zu verständlich war. Denn für seine Ernennung schuldete jeder neue Kardinal, Bischof oder Abt dem Papst ein Jahreseinkommen seines Lehens, über das er nun die Kontrolle ausübte, und das war ein ordentlicher Batzen Geld.
Gerade wollte Cosimo zur Feder greifen und eine erste Kreditzusage über dreihundert Florin aufsetzen, als sein älterer Cousin Averardo di Francesco de’ Medici kurz anklopfte und schon zur Tür hereinschaute.
»Hast du einen Augenblick Zeit, Cosimo?«, erkundigte sich Averardo, ein stämmiger Mann von Mitte fünfzig mit rauer, leicht kratziger Stimme, die stets nach Eile klang. »Ich könnte deinen Rat gebrauchen.«
Cosimo blickte auf. »Ich denke, das lässt sich einrichten. Außerdem werde ich dich ja sowieso nicht auf später vertrösten können, werter Cousin.« Er seufzte. »Also, komm schon herein. Worum geht es denn?«
Averardo war für sein oftmals recht hitziges und stürmisches Wesen bekannt, manche nannten ihn gar einen Mann ohne Skrupel. Schon in jungen Jahren hatte er sich den zweifelhaften Ruf erworben, ein Draufgänger zu sein, der in der Wahl seiner Mittel alles andere als zimperlich war.
»Um die Monte.« So wurden die verzinslichen Anleihen der Stadt bezeichnet.
»Und?« Cosimo zog spöttisch die Augenbrauen hoch. »Willst du kaufen oder verkaufen?« Er ahnte, worauf sein Cousin hinauswollte.
Averardo seufzte. »Darum geht es ja gerade. Ich wünschte, ich wäre vor zwei Jahren deinem Rat gefolgt und hätte damals einen Sack voll von diesen Obligationen gekauft, so wie du es getan hast. Du musst in den zwei Jahren deinen Einsatz glatt verdreifacht haben.«
Cosimo lächelte. »Ich will nicht klagen.«
Die Anleihen der Monte waren 1426, mitten im kostspieligen Krieg mit Mailand, in ihrem Wert drastisch gesunken. Denn damals hatte die Regierung verkündet, die Zinsen für diese Papiere, die gewöhnlich irgendwo zwischen acht und fünfzehn Prozent lagen, für nicht absehbare Zeit nicht mehr zahlen zu können. Daraufhin hatten die staatlichen Anleihen kurzfristig bis zu achtzig Prozent ihres Wertes verloren. Wer also hundert Florin in Monte-Obligationen besessen und in jener Zeit dringend Bargeld gebraucht hatte, der hatte seine Papiere nur noch für zwanzig Florin verkaufen können. Spekulanten mit reichlich Geld und Zeit zum Abwarten hatten die Gunst der Stunde genutzt und im Vertrauen darauf, dass der Wert der Staatsanleihen irgendwann wieder steigen würde, zugegriffen. Und zu diesen Spekulanten, die nicht gezögert hatten, gehörte Cosimo de’ Medici.
Averardo machte eine leicht missmutige Miene. »Dass du nicht klagen kannst, ist selbst für dich, der du ja gern tiefstapelst, eine gewaltige Untertreibung.«
Cosimo zuckte mit den Achseln. »Du hättest meinem Rat ja folgen können.«
Averardo winkte ab. »Also, die Sache ist die: Mir ist vorhin zu Ohren gekommen, dass die Monte ihren Zinssatz wieder einmal um einen Prozent erhöhen will. Was meinst du, soll ich ein Bündel Obligationen kaufen? Kann ich dann auf einen Gewinn hoffen?«
»Wo liegt ihr Nennwert heute?«
»Knapp unter neunzig.«
Cosimo schüttelte den Kopf. »Zu hoch. Er wird schon bald wieder unter siebzig, vielleicht sogar noch tiefer fallen. Deshalb habe ich erst vorgestern einen Großteil unserer Obligationen abgestoßen.«
Averardo runzelte die Stirn. »Und warum bist du dir so sicher, dass ihr Wert bald wieder dramatisch fallen wird? Der Friedensvertrag mit Herzog Visconti von Mailand ist doch schon so gut wie in trockenen Tüchern.«
»Weil es gut möglich ist, dass wir uns nicht allzu lange an dem Frieden erfreuen werden. Denn wie du wissen dürftest, rühren Rinaldo degli Albizzi, Neri Capponi und ihre Anhänger schon die Trommel für das nächste ruhmreiche Gefecht unter florentinischem Banner, das uns außer gewaltigen Kosten für die Söldnertruppen nicht viel bringen wird«, sagte Cosimo sarkastisch.
»Du spielst auf ihr Gerede an, dass Florenz unbedingt die Stadt Lucca unter seine Kontrolle bringen müsse?«
Cosimo nickte. »Genau davon spreche ich.«
»Ach was, das ist doch bloß großspuriges Geschwätz, um sich bei den älteren Politikern in Szene zu setzen!«
»Das sehe ich anders, Averardo. Rinaldo und der junge Neri wollen sich einen Namen machen, um künftig Anspruch auf die höchsten Staatsämter erheben zu können«, widersprach
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