Hüter der Macht
Gebieters am besten entkommt. Und jetzt lass uns einen ersten Rundgang durch die Bottega machen.«
Sandro nickte ihm dankbar zu und folgte ihm durch eine weitere Tür in den großen Raum der Krempler und Wollkämmer.
Fünfzehn Florin bei freier Kost und Logis, ging es ihm durch den Kopf. Das war zwar ein stolzer Jahreslohn, aber der wollte unter einem Meister wie Vieri di Armando hart erarbeitet sein, wenn er den ernüchternden Willkommensgruß von Tommaso Mortelli richtig deutete.
Aber Sandro war fest entschlossen, sich in der Stadt seines Vaters zu bewähren, ganz gleich, wie viele Hindernisse sich ihm dabei in den Weg stellen sollten!
Z WEITER T EIL F EBRUAR 1428 BIS F EBRUAR 1429
»Wer dauerhaften Erfolg haben will,
muss sein Vorgehen ständig ändern.«
Niccolò Machiavelli
1
C osimo saß in einem Nebenzimmer seines Bankkontors, das einen Großteil der ebenerdigen Räume des Medici-Palazzo in der Via Larga einnahm. Hier in dem Haus, das einst der vornehmen Familie der Riccardi gehört hatte, befand sich der Hauptsitz des Familienunternehmens, in dem internationale Kreditvergaben entschieden und Handelsgeschäfte abgeschlossen wurden. Die gewöhnlichen Wechselgeschäfte wurden dagegen an den mit grünem Filztuch bespannten Tischen im einstigen Palazzo dei Cavalcanti getätigt, der sich am Mercato Nuovo an der Ecke Via Porta Rossa und Via dell’Arte della Lana befand.
In Anbetracht des außerordentlichen Reichtums der Familie musste dieser Palast in der Via Larga geradezu bescheiden genannt werden. Aber so und nicht anders wollte es der alte Medici, ganz nach seiner Devise »Hast du was, dann bist du was – aber was du hast, das zeigst du besser nicht. Denn Neid ist ein schnell wachsendes Kraut, das man besser nicht begießt!«
Das mochte dem Hause Medici in den vergangenen Jahrzehnten, der Zeit des unaufhaltsamen Aufstiegs unter dessen Ägide, gut bekommen sein. Aber allmählich wurde es Zeit, sich von dieser extremen Bescheidung zu verabschieden und Pläne für einen neuen standesgemäßen Palazzo zu machen. Denn seit der Einführung des catasto, der Reichensteuer, wusste jeder in der Stadt, der sich dafür interessierte – und wer tat es nicht –, dass die Medici zu den sehr Reichen der Stadt gehörten, ja wenn nicht gar bald schon die Reichsten sein würden.
Und nicht einmal die unter Florentiner Kaufleuten übliche geschickte Buchführung zur Täuschung der Steuereintreiber und die libri segreti, die geheimen Kontobücher, vermochten den enormen Reichtum der Medici zu verschleiern.
Ja, diese Augenwischerei mit dem bescheidenen Palazzo verfing nicht mehr, sondern nahm lächerliche Züge an. Solange ihr Vater lebte, war an eine konkrete Umsetzung dieser Pläne für einen neuen Palast jedoch nicht zu denken.
Aber das war nichts, was Cosimo wirklich bekümmerte. In einer Stadt wie Florenz, wo ein Mann erst mit dreißig Jahren erwachsen und frühestens in diesem Alter zur Wahl in ein Staatsamt zugelassen wurde, musste man sich nicht nur auf das Geschäftliche mit all seinen Fallstricken verstehen, sondern auch auf das Warten. Und er wusste, dass seine Zeit kommen würde, nicht allein für den neuen Palast.
An diesem Morgen hatte Cosimo einige öffentliche Einrichtungen und Klöster mit wohltätigen Schenkungen bedacht. Spenden dieser Art trug er in ein besonderes Rechnungsbuch ein, das bei ihnen Gottes Konto genannt wurde. Großzügige Wohltätigkeit war stets ein fester Bestandteil der Geschäftspolitik seiner Familie gewesen und zugleich das tiefe Anliegen eines jeden reichen Mannes, der sich auch um sein Seelenheil sorgte. Denn wer wollte sich schon um des irdischen Profits willen den Weg ins Paradies verbauen?
»Die Armen kommen in den Himmel, weil sie ihr hartes Los klaglos tragen, die Reichen, indem sie großzügig für die Armen geben!«, hatte der Erzbischof von Florenz einmal zu ihm gesagt. Und in der Bibel stand geschrieben: »Was hülfe es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?«
Cosimo hatte sich das eine wie das andere zu Herzen genommen. Und daher war es ratsam, stets ein vernünftiges Gleichgewicht zwischen möglichst profitablen Geschäftsabschlüssen und wohltätigen Werken zu halten. Letztere hatten zudem noch den nicht gering zu erachtenden Nebeneffekt, dass die einfache Bevölkerung den Klang des Namens Medici gern hörte.
Cosimo nahm sich das Kreditgesuch eines vom Papst neu ernannten Kardinals vor und grübelte eine ganze
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