Hüter der Macht
der Creme massieren und mir nicht die Haut von den Händen reiben!«, schimpfte Fiametta und stieß Tessas Hände zurück. »Außerdem hast du zu viel Senf und zu wenig Apfelfleisch verarbeitet! Und von Bittermandeln, die in dem Absud sein sollten, kann ich auch nichts riechen!«
Tessa unterdrückte einen Seufzer. Sie verzichtete darauf, ihrer Herrin zu beteuern, dass sie bei der Herstellung der Handcreme alles wie immer gemacht und für den Absud dieselbe Menge Senf, Äpfel und Bittermandeln abgemessen hatte. Darauf zu bestehen hätte Fiametta nur noch wütender gemacht. Zudem wusste sie ja, was der wirkliche Grund für deren üble Laune war: Fiamettas Vater und der Heiratsvermittler waren mit dem Getreidehändler Antonio Cavalli nicht einig geworden über die Mitgift der Tochter. Dieser hatte tausendfünfhundert Florin verlangt, die Fiametta mit in die Ehe mit seinem Sohn Riccardo bringen sollte. Aber mehr als tausendzweihundert Florin hatte Benvenuto Panella nicht zahlen wollen.
»Wollt Ihr, dass ich einen neuen Absud zubereite?«, fragte Tessa vorsichtig. »Ich habe auch noch etwas von der …«
»Nein, mach schon weiter, du ungeschicktes …« Weiter kam Fiametta nicht. Sie biss sich auf die Lippen, aber sie konnte trotzdem nicht verhindern, dass ihr Tränen in die Augen traten und über die runden Wangen liefen. Schluchzend stieß sie hervor: »An lumpigen dreihundert Florin hat es gelegen!«
Sofort vergaß Tessa ihren Ärger über die ungerechte Zurechtweisung. »Ihr dürft es nicht zu schwer nehmen«, sagte sie tröstend und reichte ihrer Herrin rasch ein Taschentuch.
»Hätten sie sich denn nicht wenigstens auf tausenddreihundert Florin einigen können?«, klagte Fiametta und schnäuzte sich. »Dann hätte ich noch in diesem Sommer einen Ring am Finger gehabt!«
Fiametta hatte die letzten Wochen in einem Zustand fieberhafter Aufregung und Erwartung verbracht. An diesem Tag nun war das Geschäft zwischen ihrem Vater und Antonio Cavalli endgültig geplatzt.
Eine Eheschließung im wohlhabenden Bürgertum war in der Tat nichts weiter als ein Geschäft, bei dem allein der Name einer Familie und die ausgehandelte Mitgift zählten. Eine Frau war auch hier in Florenz kein Mensch mit eigenem Recht. Sie konnte keinen Besitz haben, kein Testament machen und keine eigenen Geschäfte betreiben. Sie war Besitz der Männer, eigentlich zu allen Zeiten ihres Lebens. Erst war sie dem Vater Gehorsam schuldig, dann hatte sie sich in der Ehe in jeder Hinsicht dem Willen ihres Mannes zu fügen, und als Witwe, die sich weigerte, wieder zu heiraten, stand sie unter der Vormundschaft ihrer Brüder.
Kam man als Tochter aus einem Haus mit klangvollem Namen, durfte die Mitgift etwas geringer als sonst ausfallen, wenn der zukünftige Ehemann und seine Familie durch die Heirat im gesellschaftlichen Ansehen einen beachtlichen Sprung nach oben machten. Entstammte jedoch der zukünftige Ehemann aus einem noblen, aber mittlerweile verarmten Geschlecht, dann musste der Vater der Braut sehr tief in die Kasse greifen, um mit dessen Familie zu einem Abschluss zu kommen. Das neue Geld paarte sich gern mit altem Adel – und umgekehrt.
Erst wenn all das langwierige Feilschen mit oder ohne Vermittlung eines Sensale für beide Familien zu einem zufriedenstellenden Ergebnis geführt hatte, wurden Braut und Bräutigam einander offiziell vorgestellt. Natürlich hatte man sich vorher schon beim Kirchenbesuch oder bei einer herbeigeführten Begegnung während eines der vielen Stadtfeste gegenseitig verstohlen gemustert.
Der Bräutigam und dessen Mutter zogen zudem vorher noch ausgiebig Erkundigungen über den Ruf, die äußere Erscheinung und das Auftreten der Auserwählten ein. Denn kein Mann kaufte eine Katze im Sack. Dagegen musste man sich als Tochter im heiratsfähigen Alter, das gemeinhin mit dem sechzehnten Lebensjahr begann, mit dem Ehepartner begnügen, den der Vater ausgesucht hatte. Zuneigung oder gar Liebe kamen in dieser geschäftlichen Gleichung, um die es letztlich ging, nur in den allerseltensten Fällen vor.
»Wäret Ihr denn gern die Ehefrau von Riccardo geworden?«, fragte Tessa mitfühlend. »Immerhin ist Riccardo schon fast vierzig und Ihr wärt seine dritte Frau gewesen. Hätte Euch das denn wirklich gefallen?«
»Etwas sehr alt war er ja schon, und seine dritte Frau zu sein wäre mir auch nicht gerade angenehm gewesen«, räumte Fiametta schniefend ein. »Aber seine Familie hat einen langen, fast vornehmen Stammbaum und
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