Hüter der Macht
nichts weiter als ein wenig Gesellschaft und Freundschaft in dieser Stadt suchte, dann reichte ihr das voll und ganz.
Nein, das wunderbare Gefühl, einem anderen etwas zu bedeuten, wollte sie sich bei aller Vernunft nicht nehmen lassen. Und deshalb hoffte sie inständig, dass Sandro auch weiterhin solche zufälligen Zusammentreffen herbeiführte. Vielleicht schon am nächsten Sonntag.
Tessa eilte mit Gemma weiter. Plötzlich schienen ihr die Häuser und Gassen von Florenz prachtvoller und strahlender, als sie sie bisher kannte. Und sie war sicher, dass sie selbst Fiamettas Launen von nun an besser würde ertragen können.
Was die Übellaunigkeit ihrer Herrin betraf, so hätte Tessa sich wenig Sorgen machen müssen. Es war einige Tage später und sie arbeitete gerade in der stickigen Näh- und Bügelkammer, als ein Hausmädchen ihr ausrichtete, die junge Herrin wünsche sie auf der Stelle zu sehen. Tessa stellte sich schon auf einen nicht enden wollenden Schwall an Vorwürfen ein, doch als sie den Innenhof betrat, blickte ihr eine lächelnde Fiametta entgegen.
Ihre junge Herrin saß nahe beim plätschernden Springbrunnen im Schatten eines aufgespannten Sonnensegels und spielte nervös mit dem Anhänger ihrer Halskette, einem in Gold gefassten Topas. Tessa hatte von ihr erfahren, dass es unter reichen Patriziern üblich war, ihren Töchtern eine Kette mit solch einem Halbedelstein zu schenken, wenn sie alt genug waren, um zu heiraten.
»Ihr habt nach mir gerufen? Geht es um die neue Stickerei, die Ihr Euch vorgenommen habt?«, fragte Tessa vorsichtig, doch dann sah sie das freudige Glitzern in den Augen ihrer jungen Herrin und sie wusste Bescheid.
»Was interessiert mich die Stickerei! Komm, setz dich zu mir!« Fiametta kicherte hinter vorgehaltener Hand. Dann beugte sie sich zu Tessa vor und sagte mit frohlockender Stimme: »Es ist geschehen, Tessa! Endlich, endlich ist es geschehen!«
Tessa brauchte nicht lange zu raten, was geschehen war, kannte Fiametta doch seit der gescheiterten Eheanbahnung mit dem Getreidehändler Antonio Cavalli nur ein einziges Thema: Wann sie wohl endlich heiraten würde!
»Hat der Sensale Eures Vaters einen neuen Ehekandidaten für Euch gefunden?«
»Nicht nur das! Mein Vater ist sich auch schon mit der Familie einig geworden über die Mitgift.« Fiamettas Augen leuchteten. »Na, was sagst du jetzt, Tessa? Ich werde noch dieses Jahr Herrin in meinem eigenen Haus sein!«
Tessa wusste, was von ihr erwartet wurde, also klatschte sie pflichtschuldigst in die Hände und legte ein Strahlen auf ihr Gesicht. »Nein! Was Ihr nicht sagt!«, gab sie aufgeregt zurück. »Welch wunderbare Nachricht! Bin ich die Erste, die Euch dazu beglückwünschen darf?«
Fiametta nickte. Sie lehnte sich zurück und schenkte ihrer Zofe ein huldvolles Lächeln. »Das darfst du in der Tat!«
»Und wer ist der Glückliche, der Euch zur Frau bekommt?«
»Sein Name ist Lionetto Vasetti. Er ist vor Kurzem zweiunddreißig geworden und soll eine stattliche Erscheinung sein. Darüber hinaus ist seine Familie auch noch mit dem noblen Geschlecht der Barbadori verwandt«, berichtete Fiametta voller Stolz. »Außerdem sind die Vasetti sehr erfolgreiche Seidenhändler. Deshalb hat Vater mir nun doch eine höhere Mitgift zugebilligt, als er es eigentlich vorgehabt hatte. Ich bringe tausendfünfhundert Florin mit in die Ehe! Was sagst du nun?«
»Dass Ihr allen Grund habt, Euch zu freuen und stolz darauf zu sein, nun bald in die Familie der Vasetti einzuheiraten«, versicherte Tessa. »Vielleicht war es eine glückliche Fügung, dass Euer Vater und der Sensale nicht mit Antonio Cavalli handelseinig werden konnten. Jetzt macht Ihr eine beträchtlich bessere Partie.«
»Und nicht nur das! Meinem zukünftigen Ehemann ist bei der letzten Wahl der Prioren eine große Ehre zuteilgeworden. Man hat Lionetto Vasetti dabei als veduto gezogen!«
»Und was bedeutet das genau?«, fragte Tessa.
Fiametta verdrehte kurz die Augen, als könnte sie nicht glauben, dass ihre Zofe nicht genauestens über das Wahlverfahren in ihrer Stadt unterrichtet sei. »Wo hast du bloß deine Ohren gehabt? Schließlich bist du schon ein ganzes Jahr bei uns in Florenz!«, sagte sie vorwurfsvoll.
Am liebsten hätte Tessa ihr geantwortet, dass ihre Ohren genug damit zu gehabt hatten, ihre tausend Beschwerden, Launen und Anweisungen aufzunehmen, verkniff sich diese Bemerkung jedoch wohlweislich und zuckte nur mit den Achseln.
Fiametta seufzte, aber
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