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Hüter der Macht

Hüter der Macht

Titel: Hüter der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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ganz offensichtlich platzte sie so vor Stolz, dass sie sich dazu herabließ, Tessa alle Einzelheiten zu erklären.
    »Von den Mitgliedern der hohen und der niederen Gilden sind theoretisch etwa dreitausend Männer zur Wahl in die höchsten Staatsämter zugelassen.«
    Tessa wusste, dass über vierzigtausend Menschen in der Stadt leben sollten, und sie stellte verbittert fest, dass die erdrückende Mehrheit der Bevölkerung offensichtlich keinen Zugang zu den Staatsgeschäften besaß und damit nichts zu sagen hatte.
    »Und es ist natürlich der Traum eines jeden Bürgers, Mitglied der Signoria zu werden«, fuhr Fiametta fort. »Aber praktisch sind es nicht dreitausend, sondern höchstens ein paar Hundert Männer, die sich wirklich Hoffnung auf ein hohes Amt machen können. Denn wer ein solches anstrebt, muss erst einmal nachweisen, dass schon sein Vater oder der Großvater eine der bedeutenden Magistraturen innegehabt hat. Auch darf er keine Schulden haben, also nicht im specchio stehen.«
    Davon hatte Tessa schon gehört. Sie wusste, dass es in jedem Viertel Schuldbücher gab, in die Verfehlungen und Steuerversäumnisse eines jeden eingetragen wurden.
    Fiametta unterbrach ihren Redefluss nicht einen Augenblick lang. »Und Lionetto Vasetti – mein zukünftiger Ehemann – ist bei der Wahl für fähig erklärt worden, hohe Ämter zu bekleiden. Das ist eine große öffentliche Ehre. Wie mein Vater mir versichert hat, kann es gut sein, dass er vielleicht schon aus einer der nächsten Wahlen als Prior der Signoria herauskommt! Dann kann er fremde Botschafter empfangen, Gesetze bestimmen und Gott weiß was noch alles tun! Stell dir das mal vor, Tessa: Ich die Ehefrau eines Priors, der über die Geschicke von Florenz entscheidet und durch sein Amt den Namen Vasetti zu einem der angesehensten der Stadt machen kann! Den Namen, den meine Söhne tragen werden!« Ihr vor Erregung erhitztes Gesicht nahm bei der Vorstellung einen verklärten, ja geradezu verzückten Ausdruck an.
    Bis dahin wird noch viel Wasser den Arno hinunterfließen, dachte Tessa. Unwillkürlich erinnerte sie sich an den kurzen Wortwechsel zwischen Gemma und Donna Simona, bei dem es um die ehelichen Pflichten der Schwiegertochter gegangen war, und sie fragte sich, wie Fiametta, die schon bald das Bett mit jenem Lionetto Vasetti teilen würde, wohl mit diesem Teil der Ehe zurechtkommen mochte.
    Während Fiametta sich ihre Zukunft weiter in den schillerndsten Farben ausmalte, wurde Tessa immer stiller. Denn im Gegensatz zu ihrer Herrin blickte Tessa nicht so erwartungsvoll dem entgegen, was auf sie zukam. Es würde nicht mehr lange dauern und sie würde sich schon wieder an ein neues Leben gewöhnen müssen, in einem fremden Haus, mit einer fremden Herrschaft. Und als rechtlose Sklavin wusste sie nicht, was die Zukunft dort für sie bereithielt.

8
    C osimo de’ Medici eilte die Via Maggio hinunter, ließ das Kloster Santo Spirito rechts liegen und bog dann in eine stille Seitengasse ein, die ihn zum Haus seiner Geliebten Maddalena führte.
    Er hatte sie aus Rom mitgebracht, wo er vor seiner Übernahme der väterlichen Geschäfte in Florenz über drei Jahre gelebt und die dortige Bankniederlassung geleitet hatte. Damals war er nur gelegentlich nach Florenz gekommen, weniger, um seine Frau Contessina zu besuchen, sondern um sich mit seinem Vater sowie mit Lorenzo und Averardo zu besprechen. Eine Ehe war ein Zweckbündnis und er konnte sich über die Wahl seiner Ehefrau nicht beklagen. Contessina war praktisch, meist von heiter gelassenem Wesen, aus dem vornehmen Geschlecht der Bardi. Sie hatte ihm mit Piero und Giovanni zwei Söhne geschenkt. Auf den Gedanken, sie mit sich nach Rom zu nehmen, war er jedoch nie gekommen.
    Er hatte es vorgezogen, den Medici-Mitarbeiter in Venedig mit dem keinesfalls ungewöhnlichen Auftrag zu betrauen, auf dem dortigen Sklavenmarkt eine Tscherkessin für ihn zu erstehen. Er hatte ihm sehr genaue Angaben darüber gemacht, wie diese Sklavin auszusehen hatte: hübsch und mit einem üppig gerundeten Körper. Den schlanken, fast knabenhaften Sklavinnen, die andere Männer seines Standes als Geliebte bevorzugten, konnte er nichts abgewinnen. Mit der noch jungfräulichen, knapp zwanzig Jahre jungen Maddalena hatte sein Mitarbeiter eine vortreffliche Wahl bewiesen. Sie hatte es vom ersten Tag an verstanden, seine Leidenschaft nicht nur zu stillen, sondern immer wieder aufs Neue zu entfachen.
    Cosimo hatte Maddalena sein Kommen für diese

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