Hüter der Macht
vor.
Sandro verbeugte sich höflich. »Ich freue mich, Euch kennenzulernen.«
Die alte Frau musterte ihn von oben bis unten, dann nickte sie ihm mit freundlicher Miene zu. »Es ist beruhigend zu wissen, dass es noch junge Männer von Anstand und Ehre gibt, Sandro Fontana. Es war sehr mutig, wie du Tessa damals beigestanden hast.«
»Ach, sie hat wahrscheinlich mehr daraus gemacht, als es in Wirklichkeit war«, wehrte er bescheiden ab.
»Ganz und gar nicht!«, widersprach Tessa.
»Lebst du auch in diesem Viertel?«, fragte Gemma neugierig.
»Nein, ich wohne bei meinem Meister im Osten der Stadt«, antwortete Sandro ausweichend und mit einem Anflug von Verlegenheit. »Ich war nur zufällig hier in der Gegend und da dachte ich, dass ich die heilige Messe ebenso gut auch in dieser Kirche besuchen könnte.«
Ein amüsierter Ausdruck trat auf das Gesicht der alten Frau. »Ich habe das Gefühl, dass es nicht bei diesem einen zufälligen Besuch bleiben wird«, sagte sie mit feinem Spott.
Sandro konnte nicht verhindern, dass ihm die Röte ins Gesicht stieg. »Für meinen Meister bin ich oft in der Stadt unterwegs, müsst Ihr wissen«, murmelte er und blickte zu Boden.
»Soso«, sagte Gemma nur. Sie schaute noch einmal von Tessa zu Sandro, dann wandte sie sich energisch um. »Genug der Plauderei, so angenehm die unverhoffte Gesellschaft auch sein mag. Die Pflichten rufen bei uns leider auch an Sonntagen. Einen guten Tag noch, Sandro Fontana.«
»Den wünsche ich Euch auch«, erwiderte Sandro höflich.
Tessa schenkte ihm ein Lächeln zum Abschied und ihm schien, als wollte sie ihm noch etwas zuflüstern. Aber da zog Gemma sie auch schon mit sich fort.
»Mir sieht es ganz danach aus, als hättest du in diesem Sandro Fontana nicht nur einen Beschützer gefunden, sondern auch einen Verehrer«, sagte Gemma auf dem Heimweg zu Tessa und blickte ihren Schützling aufmerksam von der Seite an.
Tessa spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. »Ach was! Es war doch nur ein ganz zufälliges Wiedersehen«, wehrte sie ab. »Sandro ist ein netter Bursche. Wir sind beide noch fremd in der Stadt und da freut man sich einfach, wenn man auf ein bekanntes Gesicht stößt.«
Gemma lachte. »Von wegen zufälliges Wiedersehen! Das glaubst du doch selbst nicht! Er wusste ganz genau, warum er die Messe in Santa Maria Novella besucht hat.«
Tessa wand sich vor Verlegenheit. Sie hatte nicht damit gerechnet, so leicht durchschaut zu werden. »Und selbst wenn, was wäre dagegen einzuwenden, dass er mich mag und … und ich ihn?«
»Nichts, mein Kind, solange du nicht vergisst, dass er ein freier Mann ist und du eine Sklavin bist.«
»Das kann ich ja wohl schwerlich vergessen«, sagte Tessa bedrückt.
»Und deshalb bist du gut beraten, wenn du dir keine falschen Hoffnungen machst! Nimm es mir nicht übel, wenn ich so unverblümt darüber rede und dir deshalb herzlos erscheinen mag, aber als Sklavin die Freiheit zu erlangen, das ist ein ganz seltener Glücksfall.«
»Das weiß ich.«
»Selbst wenn ein Mann wie dieser Sandro oder irgendein anderer eines Tages so viel Geld aufbrächte, um dich freikaufen zu können, hätte er keinen Erfolg. Fiametta würde dich nie gehen lassen oder sich gar bei ihrem Vater oder später bei ihrem Ehemann für dich einsetzen.«
Auch das wusste Tessa und sie nickte nur.
»Dann sei auch so klug und häng nicht irgendwelchen luftigen Träumen nach, die nie Wirklichkeit werden können«, legte Gemma Tessa nachdrücklich ans Herz und strich tröstend über ihren Arm. »Das wird dir viel Schmerz und Kummer ersparen. Und glaub mir, ich weiß, wovon ich rede, auch wenn ich keine Sklavin bin. Es gibt Schlimmeres, als sein Leben als Zofe einer wohlhabenden Frau verbringen zu müssen.«
»Seid unbesorgt, Gemma. Ich werde mich nicht in törichten Wunschträumen verstricken. Ich weiß, dass Ihr nicht herzlos seid und dass Ihr es mit Euren Ermahnungen nur gut mit mir meint«, versicherte Tessa.
Aber musste sie Sandro deshalb meiden, fragte sie sich im gleichen Atemzug. Musste sie auf seine Gesellschaft und vielleicht auch auf seine Freundschaft verzichten?
Noch immer konnte sie nicht fassen, dass er sein Versprechen tatsächlich wahr gemacht hatte. Schließlich hatte Gemma recht – sie war nur ein Sklavenmädchen, und das hatte sie ihm auch deutlich zu verstehen gegeben. Und doch war er dort gewesen und Tessa spürte, wie sich die unbändige Freude darüber den Weg in ihr Herz suchte.
Und selbst wenn Sandro
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