Hüter der Macht
deinem Alter.« Er blickte Sandro aufmerksam an und einer der Mundwinkel verzog sich zu einem leisen Lächeln. »Aber nun möchte ich endlich von dir hören, wie du und dein Freund mit den Plünderern fertig geworden seid.«
In knappen Worten schilderte Sandro den Vorfall. Dabei spielte er seine Rolle nicht herunter, er rückte sie aber auch nicht in ein besonderes Licht.
»Das nenne ich beachtlichen Mut.« Cosimo nickte, als hätte er etwas bestätigt gefunden, was er schon lange vermutet hatte.
»Wenn ich mich recht erinnere, war bei mir mehr Todesangst als Heldenmut im Spiel«, gab Sandro freimütig zu. »Wir hatten gar keine andere Wahl, als die Bottega um jeden Preis zu verteidigen. Dabei ging es weniger um Eure Stoffballen als vielmehr um unser nacktes Leben. Die Plünderer hätten uns auf jeden Fall die Kehle durchgeschnitten, wenn wir sie hereingelassen hätten.«
»Angst zu haben ist keine Schande«, sagte Cosimo. »Nur ein Dummkopf spürt im Angesicht des Todes keine Furcht. Und damit meine ich nicht die Furcht, die sich hinter prahlerischem Eigenlob versteckt. Ich habe sehr genau gemerkt, was Vieri im Schilde führt. Schon Vergil sagt: Furcht entlarvt die gemeinen, die niedrigen Seelen. Und um so eine niedrige Seele handelt es sich bei Meister Vieri.« Cosimos Gesicht nahm wieder einen harten Ausdruck an und seine Stimme klang so kalt wie zuvor. »Einen solchen Mann kann ich als Oberfaktor nicht gebrauchen.«
Das zu hören freute Sandro fast noch mehr als die anerkennenden Worte, die Cosimo für ihn gehabt hatte. »Damit dürftet Ihr nicht nur so manch einem von uns in der Bottega einen Gefallen tun, sondern wohl auch Euch«, sagte er. Wieder dachte er an den Zettel mit den vielen Zahlen, die er sich aus Vieris Rechnungsbuch notiert hatte. Er hatte dieses Geheimnis lange für sich bewahrt. Jetzt schien ihm der geeignete Augenblick zu sein, es zu lüften.
Cosimo stutzte. »Gibt es da vielleicht noch etwas, das du mir über Vieri sagen möchtest?«
Sandro hielt seinem forschenden Blick stand. »Nein, Ser Cosimo. Ich habe allerdings den Eindruck, dass Ihr mit Eurer Bottega unter einem anderen Meister womöglich noch bessere Geschäfte machen könntet«, antwortete er diplomatisch und fügte in Gedanken hinzu: Sofern er ehrlicher ist als Vieri.
»Und ich habe den Eindruck«, erwiderte Cosimo scharf, »dass du mir etwas verschweigst. Also, was sollte ich noch über Meister Vieri wissen? Und jetzt keine Ausflüchte mehr, Sandro Fontana! Ich sehe dir an, dass du mir etwas Wichtiges vorenthältst.«
Sandro biss sich auf die Unterlippe. So viel dazu, dass er sich vorher immer gut überlegte, was er tat und sagte!
»Heraus mit der Sprache!«
Verzweifelt suchte er nach den richtigen Worten. »Meister Vieri ist offenbar … nicht … zufrieden mit dem Lohn, den Ihr ihm zahlt, denn er schöpft Woche für Woche einiges von dem Rahm ab, der Euch zusteht.«
Cosimo runzelte die Stirn. »Du verdächtigst ihn, mich zu betrügen? Und das schon seit Längerem?« Es klang ungläubig, ja fast belustigt. »Was bringt dich auf diesen Verdacht?«
»Ich verdächtige ihn nicht, ich weiß es.«
»Woher?«
»Ich muss des Öfteren die Bücher führen und dabei sind mir Unstimmigkeiten aufgefallen.«
Cosimos Stirn legte sich in Falten. »Wie bitte? Du führst ihm das Rechnungsbuch?«
»Es hat sich so ergeben.«
»Und wieso? Meines Wissens steht Meister Vieris Bruder seit Jahren als Buchhalter auf der Lohnliste der Bottega.«
»Das ist schon richtig, Ser Cosimo. Aber Meister Vieris Bruder kann seiner Arbeit häufig nicht nachkommen, weil er … nun, weil er wieder zu viel getrunken hat. Und dann muss ich für ihn einspringen. Was ich aber gern tue«, fügte er schnell hinzu.
Cosimo machte eine ungeduldige Handbewegung. »Wie kann es sein, dass dir etwas aufgefallen ist, aber nicht den scharfen Augen meiner Buchhalter, die alle drei Monate die Rechnungsbücher prüfen?«
»Weil Meister Vieri geschickt vorgeht und peinlich genau darauf achtet, dass die Zahlen dem Anschein nach stimmen. Aber zwischen all den richtigen Beträgen von Einnahmen und Ausgaben tauchen hier und da Posten auf, die er erfunden hat. Und das Geld fließt dann in seine Tasche.«
Cosimo schüttelte den Kopf. »Und welcher Art sollen diese erfundenen Posten sein?«
»Manchmal taucht im Rechnungsbuch ein paar Wochen lang der Lohn für einen Wollkämmer auf, den es gar nicht gibt. Und manchmal stimmen die tatsächlichen Ausgaben für die zu Garn
Weitere Kostenlose Bücher