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Hüter der Macht

Hüter der Macht

Titel: Hüter der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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sie sich zu Wort melden und die Sache richtigstellen? Nein, unmöglich! Als Lehrlinge konnten sie ihren Meister nicht vor allen anderen und vor Ser Cosimo als Feigling und Lügner bloßstellen. Also schwiegen sie zähneknirschend.
    Auch von den anderen, die wussten, wie es wirklich gewesen war, wagte niemand, dem Meister zu widersprechen.
    »Das war sehr mutig von Euch, Meister Vieri!«, lobte Cosimo. »Zumal Ihr doch genau wie wir alle geglaubt habt, dass die Pest in der Stadt wütet.«
    »In der Tat, Ser Cosimo. Die Angst vor der Pest hat schwer auf uns gelastet und uns das blutige Handgemenge wahrlich nicht leichter gemacht. Aber selbst das hat uns nicht davon abgehalten, unsere Pflicht zu tun. Ich weiß, was ich Euch, meinem gütigen Patron, als Oberfaktor Eurer Bottega schuldig bin.«
    Cosimo nickte ihm anerkennend zu. »Ihr scheint mir wahrlich zu höheren Aufgaben berufen zu sein, Meister Vieri. Aber sagt, gibt es jemanden, der sich bei der Auseinandersetzung mit den Plünderern hervorgetan hat und deshalb auch ein besonderes Lob verdient?«
    Meister Vieri zögerte kurz, bevor er antwortete. »Ich denke, das ist nicht nötig. Wir haben alle nur unsere Pflicht getan, Ser Cosimo.«
    »Verfluchter Mistkerl! Dieser Lügenbold!«, zischte Tommaso so leise, das nur Sandro es mitbekam.
    »Nun, das freut mich zu hören«, sagte Cosimo. Er schien mit dem, was sein Oberfaktor ihm berichtet hatte, zufrieden zu sein. »Aber weil ich der Überzeugung bin, dass jede Tat die ihr gebührende Anerkennung verdient, gebe ich allen den Rest des Tages frei, natürlich bei vollem Lohn.«
    Vieri passte es offensichtlich gar nicht, dass seine Wollkämmer und Kontoristen heute nicht mehr der Arbeit nachgehen würden. Seine Miene wurde plötzlich mürrisch und verschlossen.
    »Aber einen von euch brauche ich für einen kurzen Botengang«, sagte Cosimo überraschend. Sein Blick wanderte über die Reihen der versammelten Männer. Bei Sandro hielt er inne. »Du kannst das für mich übernehmen, Sandro. Dein Name ist doch Sandro, wenn ich mich recht erinnere, nicht wahr?«
    Sandro nickte verlegen. »Ja, Ser Cosimo.« Seit dem Vorfall auf Cafaggiolo war so viel Zeit verstrichen, ohne dass sie einander wieder begegnet wären, und trotzdem konnte sich Cosimo de’ Medici an ihn erinnern!
    »Gut, dann komm! Du musst beim Buchbinder Castellavi etwas für mich abholen und in die Via Larga bringen.« Er nickte Meister Vieri zu und trat dann durch das Tor hinaus auf den Vorplatz.
    Sandro folgte ihm. »Und wo finde ich den Buchbinder?«
    »Vergiss den Buchbinder! Es gibt nichts abzuholen!«, erwiderte Cosimo und seine Stimme klang nun gefährlich kalt. »Das war nur für deinen Meister bestimmt.« Er blieb stehen. »Und jetzt will ich von dir hören, wie es wirklich gewesen ist, Sandro Fontana.«
    Verblüfft sah Sandro ihn an. »Wie meint Ihr das?«
    »Hast du vielleicht geglaubt, ich wäre der dreisten Lügengeschichte deines Meisters auf den Leim gegangen?«, fragte Cosimo spöttisch. »Mir ist zugetragen worden, dass Vieri nicht einen Finger gerührt hat, um die Bottega zu schützen, sondern dass du und einer der anderen Lehrlinge, ein gewisser Tommaso Mortelli, die Plünderer ganz allein in die Flucht geschlagen habt. Ich weiß es von einem Augenzeugen. Wer das ist, muss dich nicht interessieren. Also, warum habt ihr vorhin nicht den Mund aufgemacht und die Sache richtiggestellt?«
    Sandro fühlte sich überrumpelt. Dann hatte Cosimo von Anfang an die Wahrheit gekannt und die ganze Zeit gewusst, dass er von Vieri angelogen wurde. »Weil wir ihn dann vor Euch als Lügner bloßgestellt hätten.«
    Cosimo musterte ihn mit hochgezogenen Brauen. »Wäre das nicht euer gutes Recht gewesen?«
    »Vielleicht«, erwiderte Sandro bedächtig. »Aber es wäre mit Sicherheit reichlich unklug gewesen.«
    »Warum?«
    »Ich kenne Euch nicht gut genug, um zu wissen, wie Ihr darauf reagiert hättet, wenn ein einfacher Lehrling seinen Meister und Euren Oberfaktor vor Euch und Euren Arbeitern einen ehrlosen Lügner und Lumpen nennt.«
    Cosimo sah ihn lange an. »Du scheinst dir immer sehr gut zu überlegen, was du tust«, sagte er schließlich.
    »Der Verstand ist dazu da, dass man ihn benutzt, und zwar möglichst, bevor man etwas tut oder sagt, was schwerwiegende Folgen haben könnte«, erwiderte Sandro. »Das hat mein Vater immer gesagt.«
    »Ein kluger Mann.« Cosimo nickte anerkennend. »Nur halten sich leider die wenigsten daran, schon gar nicht Männer in

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