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Hüter der Macht

Hüter der Macht

Titel: Hüter der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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beeilte sich dann, für eine letzte Nacht in die Bottega und das dazugehörige Wohnhaus zurückzukehren. Auf seinem Weg nach Santa Croce hatte er über vieles nachzudenken und nicht alles davon erfüllte ihn mit Jubel.
     
    Averardo wartete, bis Sandros Schritte draußen auf dem Gang verklungen waren. Dann sagte er nachdenklich über den Rand seines Weinpokals hinweg zu Cosimo: »Du scheinst ja einen rechten Narren an dem jungen Mann gefressen zu haben. Hoffentlich hält er auch, was du dir von ihm versprichst.«
    »Dessen bin ich mir sicher, Averardo«, antwortete Cosimo gelassen. »Um ein Unternehmen wie das unsrige erfolgreich durch diese stürmischen Zeiten zu führen, braucht man nicht nur helle Köpfe und ehrliche Menschen, sondern Männer, auf deren Loyalität man sich hundertprozentig verlassen kann und die sich nicht scheuen, auch mal etwas zu wagen. Und aus diesem seltenen Holz ist Sandro Fontana gemacht!«
    »Möge es so sein«, sagte Averardo und starrte plötzlich finster sinnierend in den Rest seines Weins, den er auf dem Grund seines Pokals kreisen ließ. »Denn wir werden solche Männer in nicht ferner Zukunft brauchen!«

13
    T essa war hin- und hergerissen zwischen der Aufregung, was dieser Sonntag für ihre Zukunft bringen sollte, und der Trauer, die kostbaren Momente zu verpassen, die sie beim Kirchgang mit Sandro teilen konnte. Jede Woche hielt sie nach seinem Lockenschopf Ausschau – und abgesehen von den schrecklichen Tagen, an denen die Pestangst Florenz im Griff gehabt hatte, hatte er sie noch nie enttäuscht. Gemma runzelte oftmals die Stirn ob der Begegnungen, doch sie sprach keine weiteren Warnungen aus und Tessa dankte ihr von Herzen dafür. Sie wusste selbst, dass ihre Freundschaft zu diesem fröhlichen Jungen, der sich keinen Deut darum zu scheren schien, dass sie eine Sklavin war, keine Zukunft haben konnte, aber trotz allem drängte sie den Gedanken daran mit aller Macht zurück und versuchte, die Augenblicke zu genießen, die sie zusammen hatten.
    Doch an diesem Sonntag würde Sandro vergeblich warten müssen. Fiametta und sie würden vor der Kirche Santissima Annunziata zum ersten Mal Lionetto Vasetti und damit den Mann zu Gesicht bekommen, der bald ihr Leben bestimmen würde. Die Väter hatten verabredet, dass beide Familien für die erste Begegnung von Braut und Bräutigam das Hochamt besuchen sollten. Dass dabei die Wahl nicht auf Santa Maria Novella gefallen war, zu deren Pfarre die Familie Panella gehörte, sondern ganz selbstverständlich auf die Klosterkirche des Servitenordens ein gutes Stück weiter im Osten der Stadt, war dem höheren Rang und dem Reichtum der Familie Vasetti geschuldet, die dort für sie reservierte Kirchenbänke besaß.
    Während die Panella in vornehmer Festtagskleidung und in Begleitung all ihrer Bediensteten schon geraume Zeit vor Beginn der Messe auf dem Vorplatz der Kirche eintrafen, ließen sich die Vasetti mit ihrem Gefolge Zeit. Aber damit hatten die Panella gerechnet. Auf die Vasetti zu warten stellte keinen Affront dar. Und so geduldeten sie sich – ausgenommen Fiametta und Tessa, die ihre Aufregung kaum unterdrücken konnten.
    Erst kurz vor Beginn des Gottesdienstes erschienen die Vasetti vor der Kirche. Als Erstes tauchten die Männer auf. Tessa zählte vierzehn kräftige Gestalten verschiedenen Alters. Alle waren auf das Prächtigste in Seide gewandet, wie es ihre Zugehörigkeit zur vornehmen Gilde der Seidenhersteller verlangte. Ihnen folgten die Frauen, ebenfalls ein gutes Dutzend an der Zahl und allesamt nach der neuesten Mode in kostbare Seidengewänder gehüllt. Den Abschluss bildete die Dienerschaft, die sich gleichfalls nach Kräften herausgeputzt hatte, um ihrer Herrschaft Ehre zu machen.
    »Nun sagt schon, wer von ihnen ist mein zukünftiger Ehemann, Mutter?«, drängte Fiametta mit zittriger Stimme, als sich die Gruppe der Vasetti-Männer gemessenen Schrittes an ihnen vorbei über den windigen Vorplatz auf das Portal der Kirche zubewegte.
    »Das ist doch wohl offensichtlich, Fiametta!« Donna Simona schüttelte den Kopf ob der unnötigen Frage. »Natürlich der stattliche junge Mann mit der dunkelblauen Seidenkappe und dem pelzbesetzten Mantelkragen, der an der Spitze geht, neben seinem Vater Gregorio.«
    »Oh!«, entfuhr es Fiametta. Sie starrte ihren Zukünftigen durch den zarten Schleier an, den jede Frau aus gutem Haus beim Kirchenbesuch zu tragen hatte, und schluckte schwer.
    Tessa ahnte, was ihre junge Herrin in diesem

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