Hüter der Macht
Tageslicht. Plötzlich hörte er schnelle Schritte hinter sich. Erschrocken blieb er stehen und drehte sich um. Doch da war es schon zu spät.
Sandro sah zwei finstere Gestalten mit kurzen Schlaghölzern in der Hand auf sich zustürzen. Zwar riss er noch die Arme schützend hoch, doch schon spürte er einen schmerzhaften Hieb auf dem Kopf und gleich darauf einen zweiten.
Sandro schrie gellend auf. Er taumelte nach hinten und stieß mit dem Rücken gegen eine Hauswand. Ein glühender Schmerz jagte durch seinen Körper und vor seinen Augen bildete sich ein dichter Nebel, sodass er die beiden Männer nur noch verschwommen wahrnahm. Verzweifelt kämpfte er gegen die Schwäche und die Schmerzen an. Er wusste, er war verloren, sobald er zu Boden ging.
Und so bäumte er sich mit aller Kraft auf, stieß sich von der Wand ab und torkelte vorwärts. Brüllend schlug er mit beiden Armen nach den Angreifern. Er achtete nicht auf die Hiebe, die auf seinen Armen und Schultern und auf seiner Brust landeten, er wollte nur noch weg. Doch er kam nicht weit.
»Na los, mach ihn fertig, bevor einer das Geschrei hört!« Die fremde Männerstimme drang wie aus weiter Ferne zu ihm. Warum kann ich denn nicht schneller laufen, dachte er noch, warum fühlen sich meine Beine an wie schmelzendes Wachs? Plötzlich erblickte er vor sich einen pechschwarzen Abgrund. Nochmals krachte ein Schlag auf seinen Hinterkopf, dann stürzte Sandro vornüber und versank in der Dunkelheit.
18
D as Nächste, was er spürte, war ein Schwall kaltes Wasser auf seinem Gesicht. Er hatte das Gefühl, ganz langsam aus den Tiefen eines eisigen Stroms der rettenden Oberfläche entgegenzusteigen. Wenn er doch nur Luft bekommen würde!
»Da! Er kommt zu sich«, hörte er jemanden sagen.
»Gib mir noch mal den Wasserkübel«, sagte eine andere Stimme, die in Sandro eine tief vergrabene Erinnerung berührte. »Ich glaube, der Landsknecht kann noch einen zweiten Guss vertragen.«
Wenig später traf ihn ein neuer Schwall eiskalten Wassers. Endlich zerriss der Schleier der Benommenheit und er schlug die Augen auf.
Das Erste, was sein verschwommener Blick wahrnahm, war eine schwarz-weiß karierte Kappe und darunter ein Gesicht, das von einer hässlichen Hasenscharte verunstaltet wurde.
Wo hatte er dieses Gesicht schon einmal gesehen? Wenn sein Kopf nur nicht so dröhnen würde! Sandro blinzelte.
Unvermittelt legte sich ein breites Grinsen auf das hässliche Gesicht vor ihm. »Kannst ganz beruhigt sein, du siehst keine Gespenster! Du bist auch weder im Himmel noch in der Hölle, wo man jemanden wie mich vermutlich eher antreffen dürfte als oben bei den jubilierenden Engelsscharen. Ja, so sieht man sich wieder, Landsknecht.«
»Bin … Bin kein Landsknecht«, stieß Sandro gepresst hervor und fasste sich an den schmerzenden Kopf. »Bin nie einer gewesen.«
»Gut für dich«, erwiderte der Hasenschartige, »dass ich genau im richtigen Augenblick pissen musste. Sonst wärst du nämlich erledigt gewesen. Konnte gerade noch rechtzeitig meine Leute herrufen, sonst hätte dich das Pack bis auf die nackte Haut ausgeraubt!« Er hielt seine rechte Hand hoch. Daran baumelte Sandros Geldbörse. »Du wirst sehen, nicht ein Picciolo fehlt.« Damit richtete er sich auf und ließ den kleinen Lederbeutel auf Sandros Brust plumpsen.
Jetzt erst, als er die kurzen Beine des Mannes sah, die von fast zwergenhaftem Wuchs waren, wusste Sandro, wen er da vor sich hatte. Warum war er denn nicht gleich darauf gekommen? Das Gesicht war doch unverkennbar! Es gehörte dem zerlumpten Bettler, dem er einst auf den Stufen der Dorfkirche in der Nähe des Landgutes Cafaggiolo zwei Piccioli zugeworfen hatte!
Der Bettler grinste breit. »Ich denke, das war ich dir schuldig, weil du mir damals nicht auch einen Tritt verpasst, sondern mir großherzig ein paar Silberlinge geschenkt hast. Das war sehr anständig von dir. Sag, wie heißt du eigentlich?«
»Sandro … Sandro Fontana«, antwortete er stockend. Er setzte sich mühsam auf und wischte sich das Wasser aus den Augen. »Und du?«
»Jacopo Paco.«
»Dann danke ich dir, Jacopo Paco, dass du mich vor dem Gesindel gerettet hast«, keuchte Sandro. Ihm war übel von den heftigen Schmerzen, die überall in seinem Körper tobten. Sein linkes Ohr brannte, als hätte man es mit kochendem Öl übergossen.
»Komm, Ficinus, hilf ihm hoch, damit wir ihn auf einen Stuhl setzen können«, forderte Jacopo einen seiner Gefährten auf. »Und du, Paolo, holst
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