Hüter der Macht
Haut spüren.
Dann gab er plötzlich ein unwilliges Schnauben von sich, drehte sich schwankend um und verschwand. Die Tür ließ er offen stehen.
Tessa atmete auf und schickte ein stummes Dankgebet zum Himmel. Angstvoll horchte sie in die Dunkelheit hinein und lauschte den schlurfenden Schritten, die nur langsam leiser wurden.
Erst als es wieder still geworden war, wagte sie es, aufzustehen, zur Tür zu huschen und sie zu schließen.
Sie lag noch lange wach und fragte sich verstört, was sie bloß von dem beängstigenden Vorfall halten sollte. Schließlich beruhigte sie sich jedoch mit dem Gedanken, dass Lionetto wohl betrunken gewesen war. Denn dass es anders gewesen sein sollte, wollte sie einfach nicht glauben. Es hätte ihr zu viel Angst gemacht und sie nicht mehr ruhig schlafen lassen.
2
W as gibt es denn?«, fragte Falco Portinari unwirsch, als Matteo den Kopf zu seinem Kontorzimmer hereinsteckte und ihn mitten in einem komplizierten Bankgeschäft unterbrach, das er Sandro gerade erklären wollte.
»Entschuldigt die Störung, aber ein gewisser Francesco Copelli wünscht Euch untertänigst in einer persönlichen Angelegenheit zu sprechen. Er sagt, Ihr wüsstet schon, worum es gehe und wie dringend es für ihn sei, dass endlich etwas in der Sache Anastasio Trabone geschehe.«
Falco Portinari verzog das Gesicht. »In der Tat, der Wamsmacher liegt mir schon seit Wochen in den Ohren«, grollte er. »Das ist heute schon der dritte Bittsteller, der mir die Zeit stiehlt! Aber gut, lass ihn kommen. Er gibt ja doch keine Ruhe.«
Augenblicke später führte Matteo den Handwerker, einen mageren Mann jenseits der fünfzig mit krummem Rücken und schwieligen Händen, zu ihnen ins Zimmer. Als Copelli eintrat, zog er sich die schmutzige Kappe vom Kopf und drehte sie nervös in seinen Händen, als wüsste er nicht, wohin damit.
»Sprich«, forderte Portinari ihn auf. »Hat sich die leidige Sache mit deinem Schuldner immer noch nicht erledigt? Erst letzte Woche habe ich ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass er eine gütliche Einigung mit dir finden soll!«
»Nicht eine Münze hat der feine Herr Trabone herausgerückt«, klagte der Mann. »Rüde angepöbelt hat er mich und mir wieder einmal an den Kopf geworfen, ich hätte schlechte Arbeit abgeliefert, was aber eine bösartige Verleumdung ist!«
»Und was soll ich jetzt tun? Etwa den Lohn für dich eintreiben, Copelli?«, fragte Falco Portinari bissig.
Der Wamsmacher schüttelte hastig den Kopf und beteuerte: »Um Gottes willen, nein! Euch das anzutragen käme mir nie in den Sinn! Da sei der Himmel vor!«
»Was dann?«
»Ich weiß mir keinen anderen Rat, als Euch gütigst darum zu bitten, meinen Fall Ser Cosimo vorzutragen. Wenn der Herr Patron bei Gelegenheit ein Wort bei dem Kaufmann für mich einlegt, wird er sich bestimmt darauf besinnen, was in dieser Sache recht und billig ist!«
Falco Portinari seufzte geplagt. »Als ob Ser Cosimo nicht genug anderes zu tun hätte! Aber nun gut, du bist ein treuer Parteigänger der Medici und deshalb werde ich sehen, was ich für dich tun kann.«
Ein Strahlen huschte über das Gesicht des Handwerkers. Mit großem Überschwang bedankte er sich und es hätte nicht viel gefehlt, dass er Falco Portinari am Schluss gar noch die Hände geküsst hätte. »Der Herr vergelte es Euch und dem gnädigen Patron!«
Als der Wamsmacher gegangen war, griff Falco Portinari zu Feder und Papier. »Besser, ich bringe das gleich vom Tisch, sonst steht er nächste Woche schon wieder hier und raubt mir endgültig den Nerv mit seinen drei unbezahlten Wämsern«, brummte er verdrossen und setzte eine Nachricht an Cosimo auf: Bittsteller: Franceso Copelli. Beruf: Wamsmacher in der Pfarre San Tommaso. Treuer Parteigänger des Hauses M. Beklagter: Anastasio Trabone, Kaufmann in Santo Spirito. Streitpunkt: drei Wämser, deren Bezahlung obiger wg. angeblicher Mängel verweigert, die er aber auch nicht zurückgeben will. Fürsprache meinerseits erbrachte keine Beilegung des Streits.
Darunter setzte er seine Unterschrift und trug Sandro auf, die Notiz zu Ser Cosimo in die Via Larga zu bringen.
Es war nicht das erste Mal, dass Sandro solch ein Bittgesuch in der Hand hielt und es in das andere Bankhaus brachte. In der Tavola wie im Palazzo Medici fanden sich fast täglich Bittsteller aus der Stadt, aber auch aus dem Umland ein, die sich von ihrem Patron Cosimo Hilfe bei ihren Problemen erhofften.
Auf dem Weg in die Via Larga sann Sandro darüber nach,
Weitere Kostenlose Bücher