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Hüter der Macht

Hüter der Macht

Titel: Hüter der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Tücher, Wasser, Gewürzwein und vieles andere brachte, was sie für sich und für Fiamettas Niederkunft benötigte.
    Acht Stunden später drang das kräftige Geschrei eines Neugeborenen durch den Palazzo. Tessa brauchte nicht erst die Hebamme oder ihre junge Herrin zu fragen, ob es denn ein Sohn oder eine Tochter geworden sei. Ihr reichte der Anblick von Lionetto Vasetti, der erzürnt aus Fiamettas Gemach herausgestürmt kam und die Tür hinter sich zuwarf.
    »Nicht einmal dazu taugt sie!«, stieß er hervor und warf Tessa einen hasserfüllten Blick zu, als er sie vor sich erblickte. Dann wandte er sich abrupt um, polterte die Treppe hinunter, brüllte seinen alten Diener Rutino an und ward für den Rest des Tages nicht mehr gesehen.
    Das Nächste, was Tessa hörte, war die schrille Stimme von Fiametta. »Nein, bring sie weg!«, kreischte sie. »Ich will sie nicht sehen! Bring sie sofort zur Amme! Was soll ich mit einem Mädchen? Ein Sohn hätte es sein sollen! Schaff mir endlich dieses Balg aus den Augen!«
    Tessa zuckte bei den hässlichen Worten zusammen, mit denen Fiametta ihr Kind bedachte, und das Herz wurde ihr schwer. Innerlich wappnete sie sich gegen das, was sie erwartete. Die bisherigen Launen Fiamettas waren vermutlich lächerlich im Vergleich zu dem, was nun vor ihr lag.
    »Ich wünschte, ich wäre tot! All die grässlichen Schmerzen und dann ein Mädchen! Womit habe ich diese Strafe nur verdient?«, wimmerte Fiametta unter Tränen, als Tessa sie zu trösten versuchte. »Nicht ein einziges freundliches Wort hat Lionetto für mich gehabt!«
    Tessa streichelte ihre Hand. »Beruhigt Euch, Fiametta, und fasst neuen Mut! Ich verstehe ja, dass Ihr und Euer Mann jetzt enttäuscht seid. Aber das wird sich gewiss schnell geben.«
    »Was redest du da?« Fiametta starrte sie mit tränenfeuchten Augen an. »Du hast doch keine Ahnung, was ich zu erleiden habe! Du bist schließlich nur eine Sklavin und deshalb wirst du nie wissen, wie es ist, wenn ein Mann und seine Familie einen Sohn von dir erwarten!«
    Tessa schluckte und straffte die Schultern. Sie würde sich nicht anmerken lassen, wie sehr Fiamettas Worte sie verletzten. »Euer Mann wird rasch einsehen, dass er Euch nichts vorzuwerfen hat. Nicht Ihr, sondern Gott entscheidet, ob er Euch einen Sohn oder eine Tochter schenkt. Und was wäre die Welt denn auch ohne Mädchen? Ihr werdet noch viele Kinder bekommen und das nächste wird bestimmt ein Sohn. Seid dankbar, dass Ihr die Geburt gut überstanden habt. Und Eure Tochter werdet Ihr bestimmt rasch lieb gewinnen und nicht mehr missen wollen.«
    »Nein, das werde ich nicht! Und jetzt lass mich allein!«, schluchzte Fiametta, entzog Tessa ihre Hand und verbarg das Gesicht weinend in den Kissen.
    Am Nachmittag kam Fiamettas Mutter zu Besuch. Doch wie Lionetto Vasetti hatte auch sie nicht ein aufmunterndes Wort für ihre Tochter.
    »Damit hast du uns wahrlich keine Ehre gemacht!«, rügte sie. »Mein erstes Kind ist natürlich ein Sohn gewesen!«
    Für Tessa verstrich der Tag quälend langsam. Sie sehnte die Nacht herbei, um Fiamettas wehleidigem Gejammer endlich zu entkommen.
    Es war schon spät, als Fiametta sie schließlich entließ. Völlig erschöpft begab sie sich in ihre Kammer, zog sich aus und sank auf ihr hartes Bett. Mit einem Seufzer der Erleichterung schlüpfte sie unter das dünne Leinen, dann fielen ihr auch schon die Augen zu.
    Sie wusste nicht, wie lange sie geschlafen hatte, als ein merkwürdiges Knarren sie aufschreckte.
    Als sie die Augen aufschlug, glaubte sie im ersten Moment, noch ein Bild aus ihren Träumen vor sich zu sehen. Doch dann hörte sie die vertrauten Glockenschläge der nahen Kirchturmuhr von San Marco, die zur zweiten Nachtstunde schlug. Und da wusste sie, dass sie wach war und nicht eine Traumgestalt sah, die da nur vier Schritte von ihr entfernt in der Tür zu ihrer Kammer stand.
    Es war Lionetto Vasetti. Er hielt ein Kerzenlicht in seiner rechten Hand, sodass sein Froschgesicht und seine Gestalt deutlich aus der Dunkelheit hervorstachen. Sein Mund stand halb offen und in seinen Augen lag ein glasiger Blick. Er wankte leicht, obwohl er sich am Türrahmen festhielt.
    Tessa hielt den Atem an. Die Angst stieg ihr wie ein würgender Brechreiz in die Kehle und ihr Herz begann, wild zu jagen.
    Einige beklemmend lange Sekunden stand er, den Blick starr auf sie gerichtet, in der Tür. Tessa war, als könnte sie seinen Blick durch das dünne Laken hindurch wie eine Berührung auf ihrer

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