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Hüter der Macht

Hüter der Macht

Titel: Hüter der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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wie störend all diese Besuche der Bittsteller für das laufende Geschäft in der Tavola waren und zweifellos auch in dem anderen Bankhaus sein mussten – aber wie wichtig es zugleich für die Stellung der Medici in Florenz war, all diesen Leuten aus den Vierteln ihres Machtbereiches wie aus dem Contado nach Kräften zu helfen und sie sich damit zu verpflichten.
    Vicinanza hieß das Zauberwort, Nachbarschaft, die gegenseitige Hilfe und Verlässlichkeit versprach. Denn im ständigen Kampf um die politische Vormachtstellung in Florenz kam es darauf, in kritischen Zeiten einen möglichst großen Teil des popolo minuto, des einfachen Volkes, auf seiner Seite zu wissen. Sandro erinnerte sich noch gut an die Worte von Averardo de’ Medici beim Leichenschmaus.
    Als Sandro den Medici-Palazzo in der Via Larga betrat, stieß er in der Vorhalle sogleich auf Cosimo und seinen Bruder Lorenzo, die gerade das Haus verlassen wollten.
    »Ich soll Euch diese Bittschrift von Signore Portinari geben«, sagte er und händigte Cosimo das Schreiben aus.
    Dieser nahm es entgegen, faltete es auseinander, warf einen kurzen Blick auf die Zeilen und reichte es an seinen Bruder weiter. »Ein Wamsmacher, der im Streit mit einem säumigen Schuldner von uns ein Machtwort wünscht! Sei so gut und kümmere du dich darum, Lorenzo. Ich habe im Augenblick keine Zeit dafür.«
    Lorenzo überflog die Notiz und machte eine leicht säuerliche Miene. »Verbindlichen Dank für diesen so überaus ehrenvollen Auftrag, Bruderherz«, spottete er.
    Cosimo zuckte mit den Achseln. »Es mag lästig sein, aber du weißt, dass jede Stimme zählt.«
    Sandro räusperte sich. »Ser Cosimo?«
    Der Medici wandte sich ihm wieder zu. »Ja? Hast du noch etwas von Portinari auszurichten?«
    »Nein, das nicht. Aber wenn Ihr einen Moment Zeit habt, würde ich Euch gern einen Vorschlag unterbreiten.«
    Mit hochgezogenen Brauen sah Cosimo ihn an. »Und worum handelt es sich dabei? Willst du vielleicht die Sache übernehmen?«, fragte er scherzhaft.
    Sandro zögerte, doch dann sprach er aus, was ihm auf dem Weg zum Palazzo in den Sinn gekommen war. »Nein, das ist es nicht«, begann er. »Was ich Euch vorschlagen möchte, betrifft vielmehr die vielen Bittsteller, mit denen Ihr es so oft zu tun habt. Ihr habt ja selbst gerade gesagt, dass sie eine rechte Plage sein können. Ich habe mich gefragt, wie man Sorge tragen kann, dass Euch die Bittsteller nicht ständig von Euren Geschäften abhalten.«
    »Und wie soll das gehen?«, fragte Cosimo skeptisch.
    »Ich habe beobachtet, dass nur die wenigsten Bittsteller Euren persönlichen Beistand benötigen und dass die meisten sich durchaus ein paar Tage gedulden könnten.«
    Cosimo nickte.
    »Also habe ich mir überlegt, dass Ihr Euch diese vielen lästigen Störungen dadurch ersparen könntet, indem Ihr für diese Menschen regelmäßig einen festen Vorsprechtag einrichtet und Ihr nur an diesem einen Tag für Bittsteller abkömmlich seid. Das könnte zum Beispiel am Samstagnachmittag sein oder auch nur alle zwei Wochen. All diejenigen, die etwas von Euch zu erbitten haben, müssten sich zur vorgegebenen Stunde einfinden. Ihr wärt dann darauf vorbereitet, dass Ihr Euch für ein oder zwei Stunden ausschließlich diesen Angelegenheiten widmen müsst. Und man könnte im Vorhinein unterscheiden, ob ein Anliegen keinen Aufschub duldet oder ob der Bittsteller durchaus noch ein wenig warten kann.«
    Cosimo de’ Medici bedachte Sandro mit einem anerkennenden Nicken. »Du bist ein erstaunlich kluger Bursche, der seinen Kopf zu gebrauchen weiß. Dein Vorschlag gefällt mir ausgesprochen gut«, lobte er. »Auch wenn mich das nicht wirklich überrascht. Vom ersten Tag an habe ich geahnt, dass etwas in dir steckt.«
    Sandro lächelte verlegen. »Es freut mich, wenn ich Euch damit ein wenig nützlich sein konnte«, sagte er bescheiden.
    »Du kannst dich auch weiterhin für das Haus Medici nützlich machen«, erwiderte Cosimo wohlwollend. »Aber nicht nur drüben in der Tavola, sondern auch hier im Haus. Denn ich könnte mir gut vorstellen, dass du demnächst an diesen Vorsprechtagen derjenige bist, der für uns die Spreu vom Weizen unter den Bittsteller trennt.«
    Sandro wusste nicht, was er sagen sollte. »Danke, Ser Cosimo …«, brachte er schließlich doch noch heraus. »Aber meint Ihr nicht, dass ein älterer und erfahrener Mann womöglich besser geeignet wäre für diese Aufgabe, der vertraut ist mit den Familienverhältnissen und den Geschäften

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