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Hüter der Macht

Hüter der Macht

Titel: Hüter der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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einen Narren an dir gefressen zu haben.« Mit rauer Jovialität gab er Sandro einen Klaps auf die Schulter.
    »Ich weiß um die hohe Gunst, die Ser Cosimo mir damit erwiesen hat, aber ich gehöre nicht in diese vornehme Gesellschaft«, sagte Sandro verlegen. »Deshalb wollte ich jetzt auch lieber gehen.«
    »Unsinn! Vornehm sind bei den meisten nur die Gewänder und das Gebaren.« Averardos Aussprache war undeutlich, offenbar hatte er dem Wein schon mehr als reichlich zugesprochen. Er winkte einen Diener heran und trug ihm auf, zwei neue Gläser zu bringen.
    Sandro murmelte befangen: »Davon verstehe ich nichts.«
    Der Diener brachte die Gläser und Averardo trank sogleich einen kräftigen Schluck. »Dann wollen wir das mal gleich ändern! Siehst du den alten Mann mit dem grauen Cäsarenkopf, der da drüben an der Loggia bei den Albizzi und den Strozzi steht?«, fragte er und deutete mit seinem Glas auf eine Gruppe von Männern, die Gewänder aus edelstem roten Tuch trugen. »Das ist Niccolò da Uzzano, einer der angesehensten Männer unserer Republik, ein wahrer Held der Stadt. Doch selbst er ist gente nuova. Weißt du, was das ist?« Ohne Sandros Antwort abzuwarten, redete er weiter: »Ein Neureicher vom südlichen Arnoufer, dessen Familie noch vor einer Generation keinen Zugang zum Priorenamt hatte. Jaja, mein Junge, du solltest dir genau merken, was du hier siehst.«
    Sandro nickte gehorsam, nippte höflich an seinem Wein und überließ Cosimos Cousin das Reden, der offenbar nicht daran dachte, ihn gehen zu lassen.
    »Was der Tod heute in diesem Haus zusammengeführt hat und was diesen Leichenschmaus wie eine Feier von Verwandten und Freunden des Hauses Medici aussehen lässt, ist ein Anblick, den man sich wirklich nicht entgehen lassen darf!« Averardos Stimme triefte von beißendem Spott. »Hier ist nämlich mehr Reichtum versammelt, als sich an allen Fürstenhöfen Europas zusammen finden lässt! Und hier triffst du auch jeden an, der in Florenz eine gewichtige Rolle spielt und dem der Name Medici wie bitterste Galle auf der Zunge schmeckt!«
    Und dann zählte Averardo spöttisch die Namen all jener Florentiner auf, die von Geburt an oder durch immensen Reichtum zu den Magnati gehörten. »Du musst wissen: Auf jeden Freund der Medici kommen zwei Feinde, die keine Gelegenheit auslassen, der Familie zu schaden – geschäftlich wie politisch. Alle sind sie gekommen, die adligen Donati und Buondelmonti, die Uberti, Adimari und Tornabuoni! Wie stolz und hochmütig sie sind! Dann die Cavalvanti, die Capponi und die Rucellai, die Strozzi und die Pazzi – übrigens nicht die einzigen Bankbesitzer von Florenz, die uns nicht das Schwarze unter dem Fingernagel gönnen und uns lieber heute als morgen beim Papst als dessen Bankiers verdrängen würden«, höhnte er. »Und mittendrin in diesem Reigen hochherrschaftlicher Männer macht natürlich der rüde Rinaldo degli Albizzi mit seinem nicht weniger eingebildeten Sohn Ormanno und dessen Busenfreund Niccolò Bardadori seine Runde und spielt mit seinem falschen Lächeln den Wolf im Schafspelz. Nicht einmal den Alberti, mit denen die Albizzi in ewiger Fehde liegen und von denen viele in der Verbannung leben, zeigt er die kalte Schulter.«
    Sandro nickte. Es war nicht lange her, da hatte er mit seinen Freunden Matteo und Tommaso über Rinaldo degli Albizzi und dessen Plan gesprochen, die Stadt gegen Lucca in den Krieg zu führen. Doch über Politik mit einem Medici zu diskutieren, das war doch etwas ganz anderes, als mit Freunden in einer Schenke zu sitzen. »Ich glaube, ich sollte jetzt wirklich gehen, Ser Averardo«, versuchte Sandro es noch einmal vorsichtig.
    »Nein-nein, das musst du auskosten, junger Freund!« Averardo leerte sein Glas in einem Zug. »Solch eine Gelegenheit bietet sich so schnell nicht wieder.« Er ließ sich ein neues Glas Wein bringen und trank gleich einen großen Schluck. »Der Rang einer Familie liegt niemals auf Dauer fest, lass dir das gesagt sein! Er hängt aber nicht nur von ihrem Reichtum, ihrer politischen Macht und ihrem Geschick ab, sich durch vorteilhafte Ehen mit anderen einflussreichen Familien zu verbinden, sondern zu einem wesentlichen Teil auch vom Rückhalt, den sie beim Volk hat.« Averardo sprach immer undeutlicher. »Die Wasser des Arno sind tückisch und dunkel! Aber für jeden, der sich darauf versteht, im Trüben zu fischen, bietet Florenz ausgezeichnete Möglichkeiten!«
    Sandro versuchte, Interesse zu heucheln, obschon er

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