Hüter der Macht
zuckte mit den Achseln. »Was hilft es? Ich bin nun mal ihre Zofe und muss mit ihr auskommen. Solange es dabei bleibt und …«, sie zögerte kurz, bevor sie schnell fortfuhr, »… und es nicht noch ein Unglück gibt, will ich mich nicht weiter beklagen.«
Sandro stutzte. »Was meinst du damit? Noch ein Unglück?«
»Ach, nichts. Das war einfach nur so dahergesagt.« Sie wich seinem forschenden Blick aus. »Ich dachte nur an das Sprichwort, dass ein Unglück selten allein kommt. Aber genug davon, Sandro. Wir haben immer nur so wenig Zeit füreinander, da sollten wir sie nicht mit solchen Kümmernissen verschwenden. Erzähl mir lieber, was es Neues gibt bei dir.«
Nur zu gern berichtete Sandro ihr, wie begeistert Cosimo de’ Medici seinen Vorschlag mit den Bittstellern aufgenommen hatte.
»Das ist ja wunderbar!« Mit einem Mal war Tessas Niedergeschlagenheit wie weggewischt. Sie verstand sofort, worum es ging. »Jetzt bist du also nicht mehr nur ein Banklehrling, sondern du wirst bald auch alle Bittgesuche entgegennehmen! Die Medici müssen wirklich große Stücke auf dich halten, dass sie dir eine so verantwortungsvolle Aufgabe übertragen! Aber dafür haben sie ja auch allen Grund.«
Sandro grinste stolz, wiegelte jedoch ab: »Warten wir erst einmal ab. Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben.«
Tessa lächelte ihn sanft an. »Du wirst es bei den Medici bestimmt noch weit bringen«, sagte sie leise. »Denk an meine Worte.«
Bevor Sandro etwas erwidern konnte, kam von der anderen Seite des Kirchenportals der barsche Zuruf von Fiamettas Ehemann, dass sie gefälligst das Schwatzen beenden und sich auf den Heimweg machen solle.
»Ich wünsche dir viel Glück, Sandro«, flüsterte Tessa ihm hastig zu. »Hoffentlich bis zum nächsten Sonntag!« Damit hastete sie auch schon davon.
Wehmütig sah er hinter ihr her. Als er sich umwandte und über die Piazza in Richtung Mercato Nuovo davongehen wollte, sah er Jacopo Paco auf sich zukommen. Ein breites Grinsen lag auf dem hasenschartigen Gesicht des ehemaligen Bettlers.
»Jetzt weiß ich endlich, warum du dir nur dann und wann einmal meinen Wein schmecken lässt und mit meinen Mädchen nichts zu tun haben willst, nicht einmal zum Vorzugspreis! Verrätst du mir, wer deine hübsche Kleine ist? Hat sie auch einen Namen?«
»Sie heißt Tessa und sie ist nicht meine Kleine, auch wenn sie wirklich hübsch ist. Sie ist nur eine gute Freundin, Jacopo.«
Jacopo legte den Kopf schief und bedachte ihn mit einem spöttischen Blick. »Was du nicht sagst! Und das soll ich dir glauben?«
»Es ist aber so.« Er schluckte. »Du musst wissen, Tessa ist eine Sklavin.«
»Und?«
»Was und?«
»Wenn sie dir wirklich etwas bedeutet und auch einen hübschen Batzen Goldstücke wert ist, kannst du sie ja ihrem Besitzer abkaufen. Du musst ihm nur einen guten Preis machen. Kein Florentiner schlägt ein lukratives Geschäft aus.«
Sandro schüttelte den Kopf. »Tessa ist eine tüchtige Zofe und die sind unter fünfzig, sechzig Florin nicht zu haben. Aber selbst wenn ich so viel Geld hätte und in der Lage wäre, eine Familie zu ernähren, würde mir das nichts nützen. Denn ihre Herrin wird sie nie verkaufen, das weiß ich mittlerweile. Die hängt wie eine Klette an ihr, und jetzt mehr denn je.«
Jacopo kratzte sich am stoppelbärtigen Kinn. »Mhm, das macht die Sache natürlich etwas schwieriger, aber nicht unlösbar. Damit bleiben dir noch zwei Möglichkeiten, deine Tessa freizubekommen.«
»Und die wären?«, fragte Sandro niedergeschlagen. Warum ließ er sich überhaupt auf solch ein Gespräch ein? Das führte doch zu nichts. Manche Dinge waren einfach nicht zu ändern. Und Tessas Schicksal gehörte leider dazu.
»Also, die erste Möglichkeit wäre, dass du mit deiner Tessa einfach durchbrennst, was aber reichlich dumm wäre, wo du bei den Medici doch so prächtig in Lohn und Brot stehst. Und es besteht die Gefahr, dass ihr aufgegriffen werdet und womöglich am Galgen endet«, sagte Jacopo. »Die zweite und buchstäblich todsichere Möglichkeit wäre, ihrer Herrin mittels einer Prise Gift oder sonst wie einen unverhofft schnellen Abgang aus diesem irdischen Jammertal und einen Platz im Himmel zu verschaffen, sofern sie diesen denn zu erwarten hat und nicht schon in der Hölle erwartet wird. Ich könnte dir ein paar sehr hilfreiche …«
»Hör auf, Jacopo!«, fiel Sandro ihm ins Wort. Er sah sich ängstlich um, ob vielleicht jemand gelauscht haben könnte. »Du hast ja wohl
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