Hüter der Macht
den Verstand verloren!«
»Schon gut! War ja nur ein Scherz!«, versicherte Jacopo.
Sandro bezweifelte das, ließ es jedoch dabei bewenden. »Ich muss jetzt weiter«, sagte er hastig. »Man sieht sich, Jacopo! Aber gib du bloß acht, dass du mit deinen krummen Geschäften und deinen abenteuerlichen Einfällen nicht irgendwann einmal selbst an den Galgen kommst.«
»Keine Sorge, ich pass schon auf meinen hübschen Hals auf!« Jacopo lachte laut. »Komm bald mal wieder auf einen Wein bei mir vorbei. Dann kannst du mir mehr von deiner süßen Tessa erzählen. Ich habe eine Schwäche für Geschichten, die so richtig zu Herzen gehen!«
Sandro winkte ab und machte sich auf den Weg in Richtung Mercato Nuovo. Doch während er durch die Gassen ging, grübelte er darüber nach, welcher Art die Gefühle waren, die er für Tessa hegte. Und er fragte sich zum ersten Mal, ob es nicht langsam an der Zeit war, sich offen einzugestehen, dass er weit mehr für sie empfand als nur Freundschaft.
5
D er Krieg gegen Lucca war in den folgenden Monaten auf den Straßen und in den Häusern von Florenz das alles beherrschende Thema. Die Bewohner im Palazzo der Vasetti machten da keine Ausnahme. Jede neue Nachricht, die von den Kriegsschauplätzen eintraf, wurde ebenso von der Dienerschaft wie von den Herrschaften lang und breit diskutiert.
Das angegriffene Lucca hatte sich, wie von Cosimo erwartet, um Beistand an den Herzog von Mailand gewandt. Sofort war der Graf Francesco Sforza mit seinem Söldnerheer losgeschickt worden. Angesichts der drohenden Gefahr griff die Signoria zu der in solchen Konflikten beliebten Waffe der Bestechung und schickte dem Mailänder und seinem Heer geheime Unterhändler entgegen. Und so schafften sie es, dass Sforza noch einmal von der Bühne des kriegerischen Geschehens abtrat – um fünfzigtausend Goldflorin aus der Staatskasse von Florenz reicher.
Unterdessen bekam Rinaldo degli Albizzi Probleme in den eigenen Reihen, verstand er sich doch nicht mit seinem eigenen Söldnerhauptmann Fortebraccio, den er nicht davon abhalten konnte, mit seinen Truppen auf ganz üble Weise brandschatzend und plündernd durch das Umland von Lucca zu ziehen. Das schaffte viel böses Blut, selbst bei den Befürwortern des Kriegs. Denn um die Stadt von jedem Nachschub abzuschneiden und sie auszuhungern, hätte es dieser Grausamkeiten nicht bedurft.
Fiamettas Ehemann Lionetto brüstete sich in dieser Zeit damit, dass er zu jenem kleinen Kreis von hochrangigen Regierungsbeamten gehörte, die früher als alle anderen über die neuesten Entwicklungen des Feldzugs informiert wurden. Denn er hatte inzwischen eine weitere bedeutsame Stufe auf der Leiter der Ehren erklommen, die ihn mit ein wenig Glück vielleicht schon bald in das Amt eines Priors führen würde, wie er nicht müde wurde zu betonen.
Im Dezember, als die Signoria Lucca den Krieg erklärt, den Rat der Zehn gewählt und Rinaldo degli Albizzi zum Kriegskommissar ernannt hatte, war er in die otto di guardia – die Acht von der Wache – berufen worden. Damit war er einer der acht Polizeioberen von Florenz.
Dass ihr Mann auf dem besten Weg war, in den innersten Kreis von Macht und Ehren vorzudringen, versöhnte Fiametta ein wenig mit seinem eiskalten Verhalten, das er ihr gegenüber nach der Geburt ihrer Tochter wochenlang an den Tag gelegt hatte. Sie trug es mittlerweile auch mit stoischer Fassung, dass Lionetto schon bald danach wieder seine nächtlichen Besuche in ihrem Schlafgemach aufgenommen hatte. Sosehr ihr die ehelichen Pflichten auch ein Gräuel blieben, so sehr drängte es sie auch, wieder schwanger zu werden und durch die Geburt eines Stammhalters in der Achtung ihres Mannes und seiner Familie zu steigen.
»Wenn ich ihm erst einmal ein, zwei Söhne geschenkt habe, wird er mich in Ruhe lassen und bestimmt den Anstand haben, mir diese Zumutungen zu ersparen, und sich eine Geliebte nehmen, so wie mein Vater«, sagte sie immer wieder zu Tessa.
Tessa fand es bestürzend, dass Fiametta so dachte, aber noch viel trauriger stimmte es sie, dass Fiametta nicht das geringste Interesse an ihrer Tochter zeigte. All ihre Versuche, sie zu einem Besuch ihres Kindes bei der Amme auf dem Land zu überreden, hatte Fiametta schon nach den ersten vorsichtigen Worten empört abgewehrt.
Was nun den Krieg betraf, so plapperte Fiametta nur all das nach, was sie darüber von Lionetto erfuhr, der im Übrigen ein begeisterter Anhänger der Albizzi war. Tessa hütete sich, alles
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