Hüter der Macht
Tessa ihn und nun trat Angst in ihre Stimme. »Er ist ein mächtiger Mann! Du wirst doch wohl nicht so einfältig sein und dich mit ihm anlegen! Damit würdest du nicht nur dich in große Gefahr bringen, sondern auch mich. Also finde dich damit ab, dass es klüger ist, die Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen.«
»Tessa!«
Fiamettas nörgelnde Stimme ließ sie aufsehen. Ungeduldig winkte ihre Herrin.
»Ich muss jetzt gehen«, sagte Tessa hastig. »Sandro, wirst du daran denken, was du mir versprochen hast?«
Sie hob ihren Schleier und er erschrak abermals, wie sehr ihr Gesicht zugerichtet war. Doch ihre schönen Augen sahen ihn flehentlich an und so konnte er nicht anders als nicken.
Doch seine ohnmächtige Wut auf ihren Dienstherrn war um keinen Grad abgekühlt. Wenn Blicke hätten töten können, wäre Lionetto Vasetti auf der Stelle leblos in den Staub der Piazza gestürzt. Das Wissen, dass er Tessa nicht beistehen und den Mann für seine Tat nicht zur Verantwortung ziehen konnte, brachte Sandro fast um den Verstand.
Aber musste er sich wirklich mit seiner Ohnmacht abfinden? Gab es vielleicht nicht doch etwas, was er zu ihrem Schutz unternehmen konnte, ohne sein heiliges Versprechen zu brechen? Was war, wenn Tessa sich in ihrer Einschätzung irrte und Lionetto Vasetti doch noch in irgendeiner der nächsten Nächte das erzwang, was ihm bei seinem ersten Versuch nicht gelungen war? Durfte er es darauf ankommen lassen?
Sandro zermarterte sich das Gehirn, was er bloß tun konnte, um Tessa davor zu bewahren, während er stundenlang und ohne rechtes Ziel durch die Stadt lief. Er fühlte sich elend vor quälender Ratlosigkeit und hilflosem Zorn.
Ohne dass er es bewusst darauf angelegt hätte, führte ihn sein zielloses Herumstreifen hinüber nach Santo Spirito und vor die Tür von Jacopos Taverne Lombrico. Er zögerte nur ganz kurz und trat dann ein. Noch nie zuvor hatte er ein so heftiges Verlangen verspürt, sich sinnlos zu betrinken.
Jawohl, dachte er bei sich selbst, das war jetzt genau das Richtige. Er würde seinen Kummer im Wein ertränken, auch wenn das sonst so ganz und gar nicht seinen Gewohnheiten entsprach.
Die Luft im Schankraum stank nach altem Schweiß, verschüttetem Wein, kalter Asche und Essensresten. Eine dicke Frau kehrte den Schmutz der vergangenen Nacht zusammen und wischte über die klebrigen Tische. Nur zwei heruntergekommene Gestalten saßen zu dieser frühen Stunde zusammen.
In diesem Augenblick kam Jacopo aus dem Hinterzimmer herein. »Welch seltener Besuch in meiner bescheidenen Hütte!«, rief er staunend aus.
Sandro nickte nur und setzte sich an den erstbesten Tisch. »Bring mir Wein. Am besten gleich ein ganzes Fass!«
»Nun mal langsam.« Jacopo beugte sich zu ihm. »Scheint nicht dein bester Tag zu sein heute, stimmt’s?«
»Lass mich bloß in Ruhe!« Sandro stützte den Kopf in die Hände.
Jacopo humpelte auf seinen kurzen Beinen hinter den Schanktresen. Mit einem großen, randvoll gefüllten Krug und zwei Bechern kam er zurück zu Sandro und setzte sich ihm gegenüber an den blanken Holztisch. »So, und nun erzähl mal, was los ist!«
Sandro griff zu einem Becher, füllte ihn und trank ihn in einem Zug leer. Für den zweiten Becher brauchte er nicht viel länger. Und dann brach alles aus ihm heraus.
»Zu dumm, dass du dich ausgerechnet in eine Sklavin verliebt hast«, sagte Jacopo, als Sandro geendet hatte. »Ich habe dir doch schon mal vorgeschlagen, dass du sie diesem Vasetti abkaufen sollst.«
Sandro schüttelte verzweifelt den Kopf.
Jacopo runzelte die Stirn. »Heißt das, du hast noch gar nicht mit ihm über einen Freikauf gesprochen?«
»Nein, habe ich nicht. Warum denn auch?«, fragte Sandro bedrückt zurück und goss sich Wein nach. »Ich hab dir doch gesagt, dass Fiametta nie zulassen …«
Jacopo fiel ihm ins Wort. »Vergiss doch dieses aufgeblasene Weib! Dieser Vasetti macht Geschäfte und er wird sich keinen lukrativen Handel entgehen lassen. Von seinem Weibsbild wird sich ein ausgemachter Geizhals wie er ganz bestimmt nichts sagen lassen! Du musst ihm nur ein verlockendes Angebot machen. Für ihn ist Tessa nur irgendeine Sklavin, die man leicht durch eine andere ersetzen kann.«
Verblüffung trat auf Sandros Gesicht. »Meinst du wirklich, dass er sich darauf einlassen könnte?«
»Jedenfalls ist es einen Versuch wert. Du machst bei den Medici gutes Geld. Wenn du es dir leisten kannst und Tessa es dir wert ist, biete ihm doch einfach das Doppelte
Weitere Kostenlose Bücher