Hüter der Macht
aufzwingen.
Sie bat ihren Ehemann, ihr zu erlauben, für ihr noch ungeborenes Kind zweimal in der Woche eine Messe lesen zu lassen. Erst wollte ihr Ehemann nichts davon wissen, aber schließlich gab er ihrem Drängen nach. Zu lange hatte er auf eine zweite Schwangerschaft seiner Frau gewartet, die ihn hoffen lassen durfte, nun endlich einen Stammhalter zu bekommen. Und deshalb sah er auch von wütenden Vorhaltungen ab, als sie sich entschloss, bei einem Bildermacher teure Wachspuppen in Auftrag zu geben, um sie in der Kirche vor dem Marienaltar aufzustellen und die Muttergottes mit diesen Opfergaben gnädig zu stimmen.
Trotzdem fürchtete Fiametta insgeheim, dass sie wieder eine Tochter zur Welt bringen würde. Wie sollte sie sonst die grässlichen Albträume erklären, die sie seit Kurzem quälten? Tessa musste oft bis tief in die Nacht bei ihr am Bett sitzen bleiben, ihre Hand halten, mit ihr beten und ihr Geschichten erzählen, weil sie Angst vor dem Einschlafen hatte. Sie nahm es gern auf sich, auch wenn es sie kostbare Stunden des Schlafes kostete. Jedoch nicht allein, weil Fiametta ihr in ihrer beklemmenden Angst vor einem zweiten Versagen leidtat, sondern weil mit der Schwangerschaft ihrer Herrin auch bei ihr die Angst zurückkehrte.
Es war die Angst, Lionetto Vasetti könnte nun, da ihm der eheliche Beischlaf im Bett seiner Frau bis lange nach der Geburt versagt war, plötzlich wieder in ihrer Kammer stehen. Die lüsternen Blicke, die sie gelegentlich von ihm auffing, wenn sie sich im Haus kurz irgendwo allein begegneten, gaben ihr allen Grund, das Schlimmste zu befürchten. Und diese Befürchtung sollte sich schon sehr bald als begründet herausstellen.
9
E s geschah in einer kühlen, mondhellen Novembernacht, in der Tessa wieder einmal lange an Fiamettas Bett ausgeharrt hatte. Die Vasetti waren in der Zwischenzeit in die Stadt zurückgekehrt und der Sommer mit seiner brütenden Hitze war längst vergessen. Tessa lag in ihrer Kammer unter ihren warmen Decken, als sie draußen auf dem Gang leise Schritte vernahm. Schon im nächsten Moment schwang ihre Tür auf. Im schwachen Schein des Mondlichtes, das durch die schmale Fensterluke in ihre Kammer fiel, sah sie nicht mehr als die dunkle, schattenhafte Gestalt eines Mannes in einem weiten Nachtgewand, die schnell die Tür wieder hinter sich schloss. Sie wusste jedoch sofort, dass es Lionetto war.
Entsetzt richtete sie sich in ihrem Bett auf. »Geht aus meiner Kammer!«, stieß sie mit gepresster Stimme hervor. »Bitte! Tut mir nichts!«
»Halt deinen dreckigen Mund, du verdammtes Sklavenweib!«, zischte Vasetti. Das Lallen in seiner Stimme verriet, dass er angetrunken war, wie so oft. Mit zwei schwankenden Schritten war er bei ihr und schlug ihr mit dem Handrücken ins Gesicht.
Ihr Kopf prallte gegen die Wand. Ein brennender Schmerz jagte quer über ihr Gesicht. Benommen versuchte Tessa, wieder hochzukommen, doch da war er auch schon über ihr. Mit der einen Hand griff er nach ihrer Brust, mit der anderen schob er die Decken nach unten und zerrte ihr dünnes Nachthemd hoch.
Tessa schrie auf. »Nein! Bitte! Nicht das! Und wenn Ihr mich totschlagt!« Verzweifelt versuchte sie, ihn wegzustoßen.
»Du kannst schreien, so laut du willst! Glaubst du, irgendwer wird kommen und dir helfen? Dir, einer Sklavin?«
Er lachte. Schweiß tropfte von seiner Stirn auf ihr Gesicht.
»Dir werde ich es zeigen, dich wie eine Jungfer zu zieren!« Abermals schlug er ihr mit der geballten Faust ins Gesicht und legte ihr rasch eine Hand auf den Mund, damit ihr Schreien nicht aus der Kammer drang.
Panik erfasste Tessa, als sie abermals sein Gewicht spürte. Sie wusste, dass sie verloren war, wenn sie nicht handelte.
In diesem Moment kümmerte es sie nicht mehr, dass sie eine Sklavin war und dass sie ihrem Herrn zu Dienst sein musste, egal, was er verlangte.
Sie machte sich keine Gedanken über die Folgen ihres Tuns.
In ihrer Not zog sie mit einem Ruck die Knie an und rammte sie ihm mit aller Kraft zwischen die Beine.
Lionetto krümmte sich über ihr und gab einen röchelnden Laut von sich, als könnte er plötzlich keine Luft mehr bekommen. Schnell wand sich Tessa unter ihm hervor, hastete durch die Kammer und zog die Tür zum Flur auf.
»Du Miststück! Du hast mir zu gehorchen! Ich lasse dich bis aufs Blut auspeitschen und dann verkaufe ich dich an einen Zuhälter! Hast du das verstanden, du Tscherkessendreck?«, rief er mit schmerzerstickter Stimme hinter ihr
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