Hüter der Macht
jemanden ausrauben?«, spottete der Mann.
»Hundertzwanzig Florin habe ich schon gespart und bestimmt wird mir Ser Cosimo, in dessen Bank in der Via Larga ich mich einer festen und vertrauensvollen Anstellung erfreue, für den Rest der Summe einen Kredit gewähren«, sprudelte es aus Sandro hervor und im gleichen Moment hätte er sich am liebsten auf die Lippen gebissen. Wie konnte er nur so dumm sein und den Namen von Ser Cosimo erwähnen! Er wusste doch, dass Vasetti zur treuen Anhängerschaft der Albizzi gehörte und alles verabscheute, was mit dem Namen Medici in Verbindung stand!
»Verschwinde, aber schnell!«, blaffte Vasetti auch prompt. »Mit einem, der im Lohn dieses hinterhältigen Intriganten steht, vergeude ich keine Zeit. Der Medici lässt nichts unversucht, damit der Krieg gegen Lucca kein gutes Ende nimmt, und sorgt dafür, dass der gute Ruf ehrenwerter Männer durch übelste Verleumdungen in den Dreck gezogen wird!«
Sandro verfluchte sich im Stillen für seine unbedachten Worte. Aber noch wollte er nicht aufgeben. Das war er Tessa und sich selbst schuldig.
»Ich flehe Euch an, geht mit mir nicht so hart zu Gericht! Ich verdiene mein Brot mit rechtschaffener Arbeit und habe mit den Belangen der hohen Herren nichts zu schaffen! Bitte, nehmt mein Geld und verkauft mir Tessa! In Gottes heiligem Namen!«
Doch Vasetti ließ sich nicht erweichen. »Mit Parteigängern der Medici mache ich keine Geschäfte. Ich werde dir die Sklavin nicht verkaufen. Das ist mein letztes Wort! Und jetzt geh mir endlich aus den Augen! Du hast mich schon lange genug belästigt mit deinem einfältigen Geschwätz!«
Mit diesen Worten ließ er den Jungen einfach stehen.
Und in seiner unbändigen Wut, die seine Vernunft wie eine finstere Sturmwolke vernebelte, verlor Sandro für einen Moment jede Selbstbeherrschung.
»Ihr mögt Euch weigern, mir Tessa zu verkaufen, und Ihr mögt auch das Recht auf Eurer Seite haben!«, rief er ihm wutentbrannt hinterher. »Aber glaubt ja nicht, dass Ihr deshalb ungestraft mit ihr tun könnt, wonach Euch der Sinn steht!«
Vasetti blieb abrupt stehen und drehte sich um. »Wovon redest du, Bursche?«, zischte er und seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen.
»Ihr wisst genau, was ich Euch sagen will!«, antwortete Sandro leise und sah Vasetti herausfordernd an. »Ihr irrt Euch, wenn Ihr glaubt, dass niemand Euch für Euer schändliches Treiben zur Rechenschaft ziehen wird, mein Herr!«
Vasetti trat ganz nah an Sandro heran, funkelte ihn mit eisigem Blick an und stieß ihm den Zeigefinger mehrmals hart auf die Brust. »Du kleiner Wurm, du unbedeutender Medici-Laufbursche, du wagst es, mir zu drohen?«
»Nichts liegt mir ferner, als Euch zu drohen, sofern Ihr Tessa nichts antut«, erwiderte Sandro. Er bemühte sich, dass seine Stimme fest und hart klang. »Aber wenn Ihr sie noch einmal anrührt, werdet Ihr bekommen, was Ihr verdient, das schwöre ich Euch! Ein Armbrustbolzen findet auch bei Dunkelheit sein Ziel!«
Damit stieß er Vasettis Hand zur Seite, drehte sich um und rannte davon, so schnell er konnte.
Doch schon nach wenigen Schritten überlief ihn ein Schauer. Der Schleier der Wut lichtete sich vor seinen Augen und ihm wurde bewusst, was er da getan hatte. Bestürzt fragte er sich, was bloß in ihn gefahren war, dass er sich zu dieser geradezu wahnwitzigen Drohung hatte hinreißen lassen – und das gegenüber einem Mann, der zu den Acht von der Wache gehörte! Hatte er denn den Verstand verloren?
Er hatte gerade die Via Larga erreicht und war schon in Sichtweite der Medici-Bank, als er erfahren sollte, welches Schicksal er mit seiner Drohung herausgefordert hatte.
»Da ist der Hund, der mir zu drohen gewagt hat!«, hörte er eine wütende Stimme keifen. »Packt ihn, Männer, und werft ihn ins Gefängnis!«
Sandro wandte sich um und sah Lionetto Vasetti, der mit ausgestrecktem Arm auf ihn zeigte.
Sandro leistete keinen Widerstand, als die beiden muskelbepackten Büttel auf ihn zustürzten und ihn ergriffen. Er wusste, wie sinnlos es war, sich seiner Verhaftung zu entziehen, ja, ihn überkam in diesem Moment eine seltsame Benommenheit. Fast erschien es ihm unwirklich, dass man ihn gleich im Stadtgefängnis in ein finsteres Kerkerloch werfen würde, wo ihn zweifellos die Folter erwartete. Ihm war, als erlebte nicht er diesen Albtraum, sondern sein zweites Ich, das sich von ihm gelöst hatte, während er wie betäubt danebenstand.
Lionetto bedachte ihn mit einem
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