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Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1)

Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1)

Titel: Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Richner
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zu Ilja:
    „Willst du es ihnen nicht erzählen? Es ist immer gut, wenn man weiß, womit man es zu tun hat.“
    Ilja schwieg eine Weile und dachte über den Vorschlag nach, doch dann nickte er.
    „Na gut“, sagte er.
    Erwartungsvoll ließen die Kinder ihre Kuchengabeln sinken. Als Emily aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm, drehte sie den Kopf. Iljas und Junos Töchter standen vor ihren Eltern verborgen hinter einem Regal und lauschten genau so aufmerksam.
    „Ein Junge ist von den Irrlichtern entführt worden“, erzählte Ilja. „Aus der Straßenbahn, die durchs Moor fährt.“
    Emily hielt den Atem an.
    „Es ist Linus, oder nicht?“, fragte Finn.
    Ilja nickte, und Juno seufzte mitfühlend.
    „Wenn das eines meiner Mädchen gewesen wäre…“, sagte sie.
    Finn ballte die Faust. Dann fragte er:
    „Wie konnte das passieren?“
    „Wir wissen es noch nicht genau“, sagte Ilja. „Aber offensichtlich haben die Hüter die Kontrolle über die Irrlichter verloren. Deshalb ist es jetzt im Moor ziemlich gefährlich. Wir haben die Fenster der Bahn sofort nach Linus‘ Entführung mit schwarzer Farbe bemalt. Die Irrlichter haben noch immer weniger Macht über die Hüter als über die Nicht-Hüter. Sie können einem Bewohner Arcanastras nur dann gefährlich werden, wenn sie ihn auch sehen. Ihr seid also sicher, wenn ihr mit der Bahn durchs Moor fahrt. Außer ihr kommt auf die Idee, die Farbe wegzukratzen, wie dieses Mädchen.“
    Er schwieg, dann fügte er hinzu:
    „Es treibt sich noch ein anderes gefährliches Wesen im Moor herum. Eines, das dort nicht hingehört. Wir glauben, dass die Irrlichter jetzt unter seiner Kontrolle stehen.“
    „Was für ein Wesen?“, fragte Finn. Ilja zuckte nur die Schultern, aber Emily hatte das Gefühl, dass er mehr wusste, als er sagen wollte.
    „Einer aus der Gilde der Geister, darauf könnte ich wetten“, murmelte Finn.
    Auf einmal war es totenstill. Ilja presste die Lippen zusammen, über Junos freundliches Gesicht huschte ein sorgenvoller Schatten, und Emily und Emma schauten sich unbehaglich an.
    Die Gilde der Geister, dachte Emily. Und obwohl sie davon zum ersten Mal hörte, lief ihr ein eisiger Schauer über den Rücken.

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    Finn weigerte sich, Emily und Emma zu erzählen, was er über die Gilde der Geister wusste.
    „Ach, vielleicht ist es doch nur ein Gerücht“, wimmelte er sie jedes Mal ab, wenn sie ihn danach fragten, und irgendwann gaben sie auf. Emily war sowieso mit anderen Dingen beschäftigt. Den ganzen Tag verbrachte sie in der Bibliothek, bei den Silberbuchen und im Skriptorium, und abends fiel sie jeweils todmüde ins Bett.
    Einige Tage später besuchte Emily Emma. Weil ihre Eltern nicht in Arcanastra lebten, war sie wie ihre Geschwister bei Donna Rosàrio untergekommen. Die ältere Frau besaß ein kleines Haus in der Nähe der Bibliothek. Ohne ihr riesiges Hörrohr, das geschwungen war wie eine Meeresschnecke, konnte sie kein Wort mehr verstehen.
    „Donna Rosàrio, das ist Emily“, schrie Emma ins Hörrohr. Donna Rosàrio saß in einem alten abgewetzten Sessel vor ihrem Haus, trank Tee mit ihrer Nachbarin und musterte die Mädchen misstrauisch.
    „Evelyn?“, murmelte sie. „Kannte schon mal ein Mädchen, das so hieß… war ein seltsames Ding… hat mich betrogen…“
    Die Nachbarin nickte bestätigend.
    „Nicht Evelyn. Emily!“, schrie Emma wieder. Donna Rosàrio ruckte unwillig mit dem Kopf.
    „Ja, Evelyn heißt sie, hast du bereits gesagt. Na, du musst selbst wissen, mit wem du dich herumtreibst.“
    Damit warf sie einen letzten giftigen Blick auf Emily und wedelte ungeduldig mit der Hand. Emma zog Emily mit sich ins Haus.
    „Zu dumm, dass du Evelyn heißt“, kicherte sie. „Donna Rosàrio wird dir niemals trauen.“
    Sie stiegen die knarzende Treppe hoch in den oberen Stock. Vor einer der Türen dort blieb Emma stehen.
    „Ich muss dich warnen: Wenn du Pech hast, triffst du Hannah“, sagte sie.
    Sie hatte Emily bereits erzählt, dass sie sich mit ihrer älteren Schwester ein Zimmer teilte.
    Hannah war da. Sie saß auf ihrem Bett und las konzentriert in einem Buch. Die Haare hatte sie zu einem kurzen Pferdeschwanz gebunden, der kämpferisch von ihrem Hinterkopf abstand. Das Zimmer war winzig: Es bot gerade genügend Platz für zwei Betten, zwei kleine Schränke, einen Tisch und zwei Stühle. Trotzdem war es sehr gemütlich. Wände und Decken bestanden aus dunklem Holz mit geschnitzten Verzierungen, die Bodendielen

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