Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1)
verwunschenen Wald voller gefährlicher Tiere, über einen verrückten Jahrmarkt und durch einen See, den blutrünstige Haie bewohnten. Igors Abenteuer waren haarsträubend. Mehr als einmal biss Emily sich vor Aufregung auf die Zunge. Am Ende war sie richtig erschöpft und beinahe froh, als der letzte Hai verblasste und das Bild verschwand.
„Ende“, sagte Mr. Peeble mit heiserer Stimme und hustete. Während er die Mechanik abstellte und das Buch herauszog, drängten die Zuschauer bereits nach draußen. Auch Emily, Emma und Miki folgten ihnen. Als sie vor dem Panoptikum standen, warf Emily einen Blick zurück.
„Unglaublich“, murmelte sie.
Da es bereits dämmerte, machten sich die drei Kinder auf den Weg nach Hause. Emma und Finn brachten Emily bis zu Sophias Gartentor.
„Jetzt, wo die Irrlichter verrückt spielen, lassen wir dich doch nicht allein durch die Stadt laufen“, meinte Emma. „Also dann, bis morgen.“
Und schon waren sie und Finn um die nächste Ecke verschwunden.
Emily lief durch den Garten zur Vogelscheuche und tastete in der Tasche des löchrigen Mantels herum. Tatsächlich fand sie dort den Schlüssel. Sie ging ins Haus und wollte eben rufen, dass sie zurück sei, als sie Stimmen hörte. Eine Weile irrte sie im Erdgeschoss herum, bis sie vor einem winzigen Raum stand. Sophia bewahrte dort neben Büchern auch ihre Katzenfigurensammlung auf. Die Tür war halb zugezogen.
„Sophia, du kannst diese Tatsachen einfach nicht länger ignorieren“, sagte jemand.
„Aber… vielleicht… ist alles nur Zufall“, wehrte Sophia ab.
Emily schob sich so langsam wie möglich vorwärts und warf vorsichtig einen Blick in den Raum. Ihre Großtante saß in einem Sessel und hatte die Hände nervös ineinander verschränkt. Ihr Besucher ging rastlos im Zimmer umher. Obwohl Emily sein Gesicht sehen konnte, hatte sie keine Ahnung, wer das war.
„Zufall? Das glaube ich nicht. Du weißt doch am besten, wie das damals vor dreißig Jahren war: Die Hüter verloren die Kontrolle über die Irrlichter, und ein Mädchen wurde aus Arcanastra entführt… es war genau wie jetzt. Genau so! Damals steckte die Gilde dahinter, und zweifellos ist sie auch jetzt dafür verantwortlich.“
„Nein“, sagte Sophia verzweifelt. „Das kann nicht sein!“
„Ich fürchte, daran besteht nicht mehr der geringste Zweifel“, sagte ihr Besucher mit kühler Stimme. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass es einer der Geister ist, der die Irrlichter kontrolliert und der diesen jungen Hüter entführt hat.“
Sophia stöhnte und vergrub das Gesicht in den Händen.
„Wir wissen nichts“, sagte ihr Besucher. „Seit Jahrhunderten existiert diese Gilde, und wir wissen nichts über ihre Mitglieder oder ihre Absichten. In meinen langen Jahren als Parlamentsmitglied habe ich alles getan, um das Geheimnis wenigstens ansatzweise zu lüften. Vergeblich.“
„Aber es hieß doch… in den letzten Jahren hat man von der Gilde nichts mehr gehört“, warf Sophia ein. „Vielleicht gibt es sie längst nicht mehr.“
„Sophia, sei nicht naiv“, sagte der Besucher heftig. „Es hat stets Zeiten gegeben, in denen die Gilde verborgen geblieben ist, doch früher oder später hat man immer wieder von ihr gehört. Nein, die Gilde ist nicht verschwunden. Es ist einer der Geister, der im Moor sein Unwesen treibt. Ich wäre nicht überrascht, wenn es derselbe wäre wie vor dreißig Jahren.“
Eine Weile war es still.
„Sophia“, sagte der Besucher eindringlich. „Wir müssen gegen den Einfluss der Gilde ankämpfen. Es ist die Pflicht der Hüter, für die Sicherheit der Menschen zu sorgen – vor allem die Pflicht derjenigen Hüter, die in den Parlamenten sitzen. Das können sie aber nur, wenn sie die Unterstützung aller Bibliothekare Arcanastras haben. Wenn ihr ihnen Zugang zur unterirdischen Bibliothek gewährt, könnten sie in den Büchern dort lesen und vielleicht einen Weg finden, die Kontrolle über die Irrlichter zurückzugewinnen. Sie werden immer gefährlicher… es gibt bereits Gerüchte, dass sie bis in die Städte vorgedrungen sind.“
„Nein“, flüsterte Sophia. „Die Bücher der unterirdischen Bibliothek sind zu mächtig…“
„Aber sie sind der einzige Weg, gegen die Gilde anzukommen. Bitte, Sophia, überlege es dir. Mit Madame Foucault und einigen anderen Bibliothekaren habe ich bereits gesprochen, sie wären einverstanden.“
Der Besucher ging Richtung Tür. Gerade noch rechtzeitig konnte Emily in eine dunkle Ecke
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