Hüter des Todes (German Edition)
Landau nahm das Buch entgegen und drückte es schützend an sich.
«Der Sudd ist für sich genommen bizarr genug. Wenn Sie nebenbei auch noch solche Schauergeschichten lesen, verlieren Sie am Ende noch den Verstand.»
«Hm. Vielleicht ist das die Erklärung.» Landau wandte sich ab und konzentrierte sich auf seine Arbeit.
Von Sektion Weiß überquerte Logan einen weiteren schwimmenden Steg nach Braun, wo – so erklärte es das Schild am Ende des Zugangssiegels – die historischen Archive und die exotischen Wissenschaften untergebracht waren. Logan hatte zwar keine Ahnung, was «exotische Wissenschaften» waren, doch als er sich einige der zusätzlichen modularen Labors angeschaut hatte, die in dieser Abteilung installiert waren, dämmerte es ihm allmählich. In einem Labor erspähte er Regale voll antiker Bücher und Manuskripte über Alchemie und Transmutationen. Die Wände eines anderen Raums waren tapeziert mit Karten von Ägypten und dem Sudan sowie Fotos von Pyramiden und anderen Bauwerken, jedes davon überzogen mit eigenartigen Linien und Kreisen. Es war offensichtlich, dass Stone jeden nur denkbaren Ansatz verfolgte, ganz egal, wie abstrus er auch sein mochte, solange er ihm nur half, seine Entdeckungen zu machen. Logan fragte sich, ob er beleidigt reagieren sollte, weil sein eigenes Labor ebenfalls hier, im «exotischen» Sektor, untergebracht war.
Auf dem Weg durch den breiten Korridor kam er an einer weit offen stehenden Tür vorbei. Obwohl in Sektion Braun derzeit nur wenige Personen zu arbeiten schienen, war dieser spezielle Raum belegt. Die Beleuchtung war schummrig. Logan erkannte ein Krankenhausbett mit Dutzenden von Kabeln, die zu verschiedenen Überwachungsapparaten am Fuß des Bettes führten. Es erinnerte Logan an die Aufbauten in den leeren Zimmern, die er bei Rush im Center für Transmortale Studien gesehen hatte.
Dieses Bett war jedoch nicht leer. Logan sah eine Frau darauf liegen – die schönste Frau, die er jemals gesehen hatte. Irgendetwas an ihr – eine Eigenschaft, die er nicht genau zu fassen vermochte – ließ ihn auf der Stelle wie angewurzelt stehen bleiben. Ihr Haar war von einer ungewöhnlichen Farbe, ein volles, dunkles Zimtbraun. Ihre Augen waren geschlossen. An ihrer Stirn befanden sich Sensoren, weitere an ihren Handgelenken und Knöcheln. An der Wand neben ihr befand sich ein großer, blitzblank polierter Spiegel. Die kleinen Lämpchen und Anzeigen der medizinischen Apparate spiegelten sich darin und brachen sich in Myriaden winziger bunter Punkte.
Logan stand wie erstarrt da, fasziniert von dem ungewöhnlichen Anblick: Die Frau inmitten eines Arsenals von Instrumenten und Apparaten wirkte beinahe ätherisch. Sie lag absolut reglos, und es gab keine Anzeichen, dass sie überhaupt atmete. Als wäre sie gerade eben vom Leben in den Tod hinübergeglitten. Logan hatte das deutliche Gefühl, ihr irgendwann in der Vergangenheit schon einmal begegnet zu sein. Das Gefühl an sich war ihm nicht fremd – mit seiner ungewöhnlich scharfen Wahrnehmungsgabe waren Déjà-vus für ihn eine regelmäßige Erscheinung. Doch diesmal war die Intensität dieses Gefühls außergewöhnlich stark.
Plötzlich nahm Logan am Fuß des Bettes, bei den Monitoren, eine Bewegung wahr. Er wandte den Kopf und stellte überrascht fest, dass es Ethan Rush war, der sich dort zu schaffen machte. Er justierte einen Drehregler, spähte auf ein Instrument, und dann drehte er sich, wie von einem sechsten Sinn gewarnt, zur Tür um und sah Jeremy Logan vor sich stehen.
Logan wollte den Arm heben und grüßen, doch am Gesichtsausdruck und der gesamten Körpersprache von Rush sah er, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war für eine Unterhaltung und dass seine Gegenwart nicht willkommen war. Also wandte sich Logan stattdessen ab und setzte seinen Weg den Gang hinunter fort, auf der Suche nach seinem Arbeitsplatz.
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Logan fand sein Labor beziehungsweise Büro in einer abgelegenen Ecke der Abteilung für exotische Wissenschaften. Es war ein modularer Würfel wie alle anderen auch und mit einem Schreibtisch, zwei Stühlen, einem Laptop sowie einem einzelnen leeren Bücherregal ausgestattet. Leicht belustigt registrierte er, dass es keine weiteren Apparate oder Instrumente gab.
Er stellte seinen großen Seesack auf den Besuchersessel, öffnete ihn und nahm ein Dutzend Bücher hervor, die er in das Regal räumte. Dann folgten ein paar Instrumente und Apparaturen, die er auf den
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