Hüter des Todes (German Edition)
Effekt? , wunderte sich Logan. Warum denn das?
Rush näherte sich erneut dem Kopfende des Bettes und nahm zwei Gegenstände aus den Taschen seines Laborkittels. Einer davon war ein Ophthalmoskop. Der andere entpuppte sich zu Logans Überraschung als ein antik aussehendes Amulett aus makellos glänzendem Silber. An seinem oberen Ende war eine kleine weiße Kerze befestigt. Rush benutzte das Ophthalmoskop, um Jennifers Pupillen zu untersuchen, dann zündete er die Kerze an und ließ das Amulett behutsam an der Kette baumeln, zwischen Jennifer Rushs Gesicht und dem Spiegel.
«Ich möchte, dass du das Amulett ansiehst», sagte er mit leiser, beruhigender Stimme. «Nichts anderes. Denk nur daran und an nichts anderes.»
Er murmelte weiter leise Instruktionen. Logan erkannte den Text wieder. Es war die Standard-Hypnoseprozedur, auch bekannt als Augenfixierung. Doch dann wich Rush vom Standardtext ab.
«Und jetzt atme langsam und tief ein und aus», sagte er. «Deine Gliedmaßen werden schwer. Entspanne deinen Hals. Entspanne deine Schultern. Entspanne deine Arme, zuerst die Finger, dann die Handgelenke, dann die Unterarme, dann die Oberarme. Entspanne deine Füße. Entspanne deine Beine.»
Für eine Minute, vielleicht auch zwei, gab es kein Geräusch im Zimmer außer Jennifer Rushs leisem Atem.
«Und jetzt – entspanne deinen Geist. Lass ihn frei schweifen. Lass dein Bewusstsein sich aus deinem Körper lösen, der als leere, unbewohnte Hülle zurückbleibt.»
Jennifers Atem wurde lauter, beinahe röchelnd. Der Raum schien dunkler zu werden, als würde sich ein fremdartiger, unheimlicher Dunst zusammenziehen.
Mit einem Mal war Logan alarmiert. Er wusste nicht genau, woran es lag, doch aus irgendeinem Grund setzten die Instinkte für Flucht oder Kampf ein, und zwar mit aller Macht. Er musste seine ganze Beherrschung zusammennehmen, um nicht aufzuspringen und aus dem Zimmer zu flüchten. Er spürte, wie ihm das Herz bis zum Hals schlug, während er sich bemühte, die Kontrolle über sich zu behalten.
Jennifers Atem auf dem Bett wurde lauter, mühsamer.
Rush schaltete einen digitalen Recorder ein, den er auf ein Tablett neben dem Krankenbett stellte. Langsam beugte er sich über seine Frau. «Mit wem spreche ich?», fragte er.
Jennifers Mund arbeitete, als versuchte sie zu antworten. Logan sah, wie sie die Hände vor Anstrengung zu Fäusten ballte.
«Mit wem spreche ich?», wiederholte Rush seine Frage.
Ein zischender Laut kam aus Jennifers Mund. «Nut» , sagte sie mit trockener, entrückter Stimme. Oder vielleicht war es auch «Seth» , Logan vermochte es nicht mit Bestimmtheit zu sagen. Er sah nur, dass allein diese Silbe zu formen eine gewaltige Anstrengung bedeutete.
«Mit wem spreche ich jetzt?», fragte Rush ein drittes Mal.
Erneut arbeitete Jennifers Mund. «Stimme … von … Horus.»
Rush regelte den Recorder nach, durch die Antwort offensichtlich ermutigt.
Doch Logan konnte diese Empfindung nicht teilen. Das lag nicht nur an dem frostigen Gefühl von etwas Bösem, das plötzlich über dem Raum schwebte, allzu ähnlich dem, was er am Tag des Generatorbrands erlebt hatte, sondern auch an der offenkundigen Anstrengung, sowohl physischer als auch psychischer Natur, die Jennifer widerfuhr.
«Was kannst du mir über das Siegel sagen?», fragte Rush. «Das erste Tor?»
«Das … erste … Tor …» , wiederholte sie.
«Ja», sagte Rush. «Was sollen wir …»
Unvermittelt quollen Jennifers Augen hervor, bis das Weiße im Licht der Geräte einen leichten Grünton annahm. Die Adern und Sehnen an ihrem Hals standen hervor wie Kabel. «Ungläubige!» , flüsterte sie. «Ihr Feinde von Ra!» Sie hob drohend den Kopf, und ein halbes Dutzend der EEG-Sensoren löste sich und fiel herunter. «Verlasst sofort diesen Ort, oder Er, Dessen Gesicht Nach Hinten Gewandt Ist, wird euer Blut aussaugen und die Milch aus den Mündern eurer Kinder nehmen. Die Fundamente eurer Häuser werden einstürzen, und ihr werdet einen endlosen Tod in der Großen Dunkelheit sterben!»
Logan erhob sich hastig aus seinem Stuhl. Jennifers Stimme war entschieden furchteinflößend, obwohl es nur ein geflüstertes Zischen war. Instinktiv streckte er die Hand nach ihr aus, um sie zu beruhigen, doch in dem Moment, als er sie berührte, durchzuckte ihn blitzartig ein gewaltiger Hass, so unendlich und unversöhnlich, dass er direkt aus der tiefsten Finsternis eines Abgrunds zu kommen schien. Er stieß ein leises Wimmern aus und sank zurück
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