Hüterin der Seele -: Sea Haven 2 (German Edition)
schweren, nahezu panischen Atem des Eindringlings hören, der zu seinem Wagen sprintete. Er musste außerhalb des Tors geparkt haben, über den Zaun geklettert und zu Fuß über das Anwesen gelaufen sein, um zu Judiths Haus zu gelangen.
Das ist beunruhigend, sagte Lev. Auf dem Land stehen sechs Häuser. Woher zum Teufel wusste er, welches davon ihres ist?
Das war eine verdammt gute Frage, eine, auf die Stefan eine Antwort haben wollte. Töte ihn nicht, riet Stefan. Wir brauchen ein paar Antworten.
Er war näher an den Eindringling herangekommen. Er konnte die dumpfen Geräusche der Schritte und das Knacken von Zweigen und kleinen toten Ästen hören, die zerbrachen, als der Eindringling durch den Wald zur Straße raste.
Komisch. Dasselbe wollte ich auch gerade zu dir sagen.
Stefan kam zwischen den Bäumen heraus, rannte in einem gleichmäßigen, hohen Tempo, blieb dem Eindringling auf den Fersen und verringerte langsam den Abstand. Auf der Wiese gab es wenig Deckung, und als der Mann die andere Seite erreicht hatte, schossen die Eulen im Sturzflug herab. Sie waren zu siebt und ihre großen Flügel schlugen heftig, als sie geradewegs auf das Gesicht des Mannes zuflogen. Er ließ sich schreiend auf den Boden fallen und hielt sich die Arme über den Kopf, um den heimtückischen Krallen zu entkommen.
Es sieht so aus, als könnten die Eulen ihn töten. Ruf sie jetzt zurück. Ich bin dicht an ihm dran, sagte Stefan.
Sein Vater hatte die Fähigkeit besessen, sich mit Tieren zu verbinden, und er erinnerte sich vage daran, dass sie einmal alle gemeinsam in einem Park gewesen waren und Eichhörnchen und Vögel sich um sie geschart hatten. Die Eichhörnchen hatten Kunststücke vorgeführt, die ihn und seine Brüder zum Lachen gebracht hatten. Die Szene stand in einem krassen Gegensatz zu dieser hier, wo Eulen einem Mann mit dem festen Vorsatz ins Gesicht flogen, ihm die Augen auszuhacken. Das war ein anderes Leben gewesen, damals, als er noch ein Kind war, eine Zeit, die er aus seinem Gedächtnis verbannt hatte, bis er Judith begegnet war. Sie hatte ihm kostbare Erinnerungen zurückgegeben.
Sie hatte ihm kostbare Erinnerungen zurückgegeben.
Judith saß dicht neben den Fenstern auf dem Fußboden und zitterte unkontrollierbar. Ihr war eiskalt und sie wrang ihr Haar aus, ohne sich daran zu stören, dass Wasser auf ihren Teppich tropfte. Sie wusste eigentlich nicht viel über Levis Vergangenheit, nur dass er undercover auf einer Yacht gearbeitet hatte, die untergegangen war, und dass er weiterhin als tot gelten wollte. Das legte ihr den beunruhigenden Gedanken nahe, dass Thomas Vincent nicht der liebenswürdige, herzensgute Mensch war, für den sie ihn gehalten hatte. Es war deutlich zu erkennen, dass Levi und Thomas einander kannten – so viel stand fest – und dass die beiden Jagd auf jemanden machten, der sich auf ihr Anwesen geschlichen hatte.
Sie verlor oft das Zeitgefühl, wenn sie die anderen Elemente geistig miteinander verflocht, und sie hatte keine Ahnung, wie lange sie auf dem Balkon gestanden hatte, ehe sie die Stimmen gehört hatte – die ihr befohlen hatten, in die Sicherheit ihres Hauses zurückzukriechen. Sie erkannte die beiden Männer augenblicklich. Die Energien wogten so kraftvoll durch ihre Gärten und auf die bestellten Felder hinaus, dass die übersinnlichen Gaben der beiden Männer ganz selbstverständlich in den gewobenen Kreis einbezogen worden waren, was ihre Fähigkeit zur telepathischen Verständigung verstärkt hatte. Da ihr Geist der Faden war, der das Netz, das sie miteinander bildeten, verknüpfte, hatte sie auch an der natürlichen Verbindung zwischen den Männern teil. Und das war auch jetzt noch so.
Ein Teil von ihr wollte sich zurückziehen und die Wahrheit nicht wissen, aber es hatte sie schon einmal ein Schlag aus heiterem Himmel getroffen und andere hatten den Preis für ihr erbärmliches Urteilsvermögen bezahlt. Also weigerte sie sich, ein Feigling zu sein und sich die Decke über den Kopf zu ziehen. Sie hatte Thomas Vincent in ihr Leben eingelassen und sie wollte ihn mit jeder Faser ihres Wesens. Wenn er so korrupt war, wie Jean-Claude es gewesen war, dann musste sie es wissen. Noch schlimmer wäre es, wenn Levi sie alle getäuscht hätte und Rikki auf irgendeine Weise ausnutzte. Das wäre unverzeihlich und Judith würde eine Möglichkeit finden müssen, es Rikki zu sagen.
Sie besaß keine telepathischen Kräfte, nicht im wahren Sinne des Wortes. Gehirnströme erzeugten
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