Hüterin der Seele -: Sea Haven 2 (German Edition)
hierherkommt und uns, unsere Männer oder Jonas bedroht, dann verkriechen wir uns doch nicht wie feige kleine Mädchen in unseren Häusern. Der Teufel soll diesen Mann holen.«
Mit jedem ihrer Worte ließen ihre zunehmende Wut und ihre entsetzliche Angst das Wageninnere kräftiger pulsieren. Glas zersplitterte auf der Beifahrerseite.
»He!« Blythe erhob ihre Stimme und nahm die Abzweigung nach Sea Haven auf zwei Reifen. »Atme oder tu sonst was. Mach den Wagen nicht kaputt.«
»Tut mir leid«, zischte Judith. »Aber ich bin nun mal … sauer. Wütend. Und ich habe Angst um die beiden. Ich habe keine Ahnung, was mit ihnen ist. Weißt du es, Rikki?«
Rikki wiegte sich unter der beschwerten Decke. Sie schüttelte den Kopf. »Er ist der Telepath, nicht ich. Ich weiß nicht, wie ich die Verbindung aufrechterhalten kann, wenn er sie nicht herstellt, nicht über eine solche Entfernung. Aber ich weiß, dass er ernsthaft verletzt ist.«
Draußen auf dem Meer erhob sich eine Wassersäule, drehte sich im Kreis und raste auf die Klippen zu. Eine zweite und dann eine dritte schlossen sich ihr an. Das Innere des Wagens wölbte sich nach außen. Judith schluckte Luft und bemühte sich verzweifelt, ihre Wut und ihr Grauen unter Kontrolle zu kriegen. Rikkis Gefühle schaukelten ihre Gefühle hoch und ihre Gefühle schaukelten die Gefühle der anderen hoch und sie verstärkten Rikkis Furcht. Es war ein Teufelskreis und sie versuchte, sich auf Blythes Stimme zu konzentrieren.
»Wir brauchen einen Plan.«
»Dieser Plan wird einschließen, dass wir Jonas verständigen«, sagte Blythe, »sowie wir mit Sicherheit wissen, was hier vorgeht.«
»Einverstanden«, sagten Lissa und Airiana laut.
Lexi nickte. Rikki wiegte sich und sah starr vor sich hin.
Judith kniff die Lippen zusammen. Sie hatte Blicke auf die Kindheitserinnerungen von Stefan und Levi erhascht und sie befürchtete, einem Mann, der so pervers und krank war wie Petr Ivanov, würde Jonas nicht gewachsen sein.
»Wir können den Wagen parken und zu Fuß gehen; dann haben wir die Lage besser unter Kontrolle«, beschloss Judith. »Rikki und ich können die Männer ausfindig machen und uns ein Urteil über die Situation bilden. Benachrichtige Jonas erst, wenn wir Näheres wissen, und wir werden unser Bestes tun, um ihnen zu helfen. Gemeinsam haben wir genug Kraft, sofern wir sie unter Kontrolle behalten können.«
Sie hatte nie versucht, sämtliche fünf Elemente miteinander zu verflechten, wenn sie außer sich und wütend war. Sie fühlte sich keine Spur weniger erbost als das Meer, das gegen die Klippen krachte. Die Hauptstraße der Ortschaft schien vollkommen menschenleer zu sein, als Blythe den Wagen an den Randstein fuhr und hastig parkte.
»Steigt aus, ihr alle. Und du, Judith, versuch um Himmels willen, dich am Riemen zu reißen. Du bist total durcheinander. Du schaukelst die anderen Elemente hoch, bis sie vollständig außer Kontrolle geraten.«
Der heulende Wind packte die Wagentüren und schlug sie so fest zu, dass das Fahrzeug wackelte, ehe er aufgebracht durch die leere Straße fegte. Eine Böenwalze breitete sich in Strömen von verschiedenen Farben über den Himmel aus, als die schwarzen brodelnden Wolken miteinander verschmolzen und aufplatzten. Wasserfluten stürzten herab, tränkten die Straßen und schlugen in unnachgiebiger Wut darauf ein.
Judith wusste, dass Blythe recht hatte, aber jetzt tauschten sie alle intensive Gefühle miteinander aus, die Judith nicht bändigen konnte. Rikkis Aufruhr packte sie alle und die schiere Kraft des Unwetters war schockierend.
Wo bist du?, fragte Judith auf ihrer Suche nach Stefan schroff.
Sie wollte sich mit ihm in Verbindung setzen und trieb ihren Geist stärker an, als sie es jemals zuvor bewusst versucht hatte. Geballte Kraft fegte durch Sea Haven und ließ Fenster klappern und Gebäude wackeln. Der Boden bog sich.
Judith?
Sie konnte Stefans sofortige Ablehnung fühlen und gewann den Eindruck von großer Gefahr, unterdrücktem Schmerz und Furcht um sie. Sie wusste augenblicklich, dass er verwundet war. Einen Moment lang verschwand die Welt um sie herum und es gab nur noch Stefan. Sie erhaschte Blicke auf sein Blut, geronnen auf der Schulter, aber es lief auch an seinem Arm hinunter. Ihr Herz stolperte in ihrem Brustkorb und einen Moment lang wurden die Ränder ihres Bewusstseins schwarz. Die Erde wölbte sich und ein schmaler Riss bildete sich am Straßenrand auf der Meerseite.
O Gott, du bist verletzt.
Weitere Kostenlose Bücher