Hüterin der Seele -: Sea Haven 2 (German Edition)
Nichts anderes zählte. Niemand sonst zählte in diesem Moment. Sie sah ihn und sie sah ihren Bruder, am Boden, blutig, leblos.
Ein Donnerschlag krachte und ein Blitz schlug in die Straße ein und sprengte einen kleinen Strauch in die Luft. Er ging in Flammen auf, die tanzten und die Erde um ihn herum schwärzten. Die Flammen hätten in dem heftigen Regenguss ausgehen sollen, aber stattdessen nahmen sie ein Eigenleben an, wuchsen und breiteten sich aus, bis sie eine lange Prozession waren, die mitten über die Straße raste, als sei das Wasser Kerosin.
Verschwinde sofort von hier. Ivanov ist nie so gefährlich wie dann, wenn man ihn in die Enge treibt.
Eine Salve von Schüssen ertönte und Judiths Herzschlag setzte aus. Stefan!
Levi!
Rikkis Stimme schallte durch Judiths Kopf, gequält und voller Angst um ihn.
Mir fehlt nichts, Kleines. Beruhige dich ein wenig, sonst ertrinke ich noch. Das war eindeutig Levi, den das Unwetter, das seine Frau entfacht hatte, ein wenig zu erheitern schien.
Judith wurde klar, dass sie es war, die alle miteinander verband, sämtliche fünf Elemente, Levi und Stefan. Sogar Blythes Anwesenheit konnte sie fühlen.
Judith, da du nun schon mal hier bist, bleib, wo du bist. Lass dich nicht blicken. Ich werde die zusätzliche Kraft, die du mir gibst, für den Versuch benutzen, Levis Bein zu befreien. Stefan war die Ruhe selbst inmitten des heftigen Unwetters. Levi, was auch immer du tust, widersteh dem Impuls, dich zu bewegen. Du weißt, dass er weitere Fallen aufgestellt hat.
Judith entging der Schmerz, den Levi aushalten musste, nicht. Er war genauso ruhig wie Stefan, aber er litt Qualen.
Thomas. Ihr fiel auf, dass Levi sogar inmitten einer Krise an Stefans Tarnung festhielt. Geh kein Risiko ein. Er ist dir gefährlich nah.
Stefan erwiderte nichts darauf und zwei weitere Schüsse ertönten. Eine Straße weiter schlug ein Blitz in den Boden ein und Flammen rasten nach oben und über die Häuser und folgten dem Blitz. Zum Glück schien Rikkis heftiges Unwetter verhindern zu können, dass dieses lodernde Feuer das Holz in Brand steckte.
»Lissa!« Blythe zischte ihren Namen. »Reiß dich zusammen. Ich sage euch allen, beherrscht euch, bevor etwas Grässliches passiert.«
»Wenn wir diesen Ivanov sehen könnten«, sagte Rikki, »dann könnten wir ihn sowohl von Stefan als auch von Levi fernhalten. Vielleicht könnten wir ihn sogar aus der Ortschaft vertreiben.«
Judith machte sich nicht die Mühe hervorzuheben, dass Ivanov bestimmt zurückkäme und dass er schon einmal gekommen und gegangen war, aber Rikki hatte tatsächlich eine gute Idee gehabt.
»Wir sind gekommen, um ihn von unseren Männern fernzuhalten«, bestätigte Judith. »Also lasst uns genau das tun.«
Blythe seufzte. »Ihr wisst, dass nicht nur diese Männer euch die Hälse umdrehen werden, sondern auch Jonas wird es tun. Ich habe gerade mein Handy rausgeholt, um ihn anzurufen. Der Sturm stört den Empfang. Reiß dich zusammen, Judith.«
Judith interessierte sich nicht dafür, ob Jonas verständigt wurde. Ihr lag nur daran zu verhindern, dass Stefan und Levi weiterhin in akuter Gefahr schwebten. Sie sprintete durch die schmale Gasse zwischen zwei Geschäften, die die Hauptstraße mit der Straße dahinter verband, und wo einige private Wohnhäuser standen. Ihre Schwestern folgten ihr. Sowie sie sich der Parallelstraße näherten, aber noch keinen Blick darauf werfen konnten, blieb sie stehen und lugte vorsichtig um die Ecke.
Sie war enttäuscht, als sie keinen der drei Männer entdecken konnte, doch sie wusste, dass sie der tatsächlichen Kampfzone wesentlich näher gekommen war. Gewalttätige Energien lagen in der Luft. Eine Kugel zersplitterte das Holz des hinteren Gartentores, das zum benachbarten Grundstück führte. Der Schuss kam von der anderen Straßenseite, aber sie konnte niemanden sehen, und auch Stefan konnte sie nicht sehen, doch er musste irgendwo in diesem Garten sein.
Bist du getroffen?, fragte Levi.
Nein, er schießt auf gut Glück. Aber ich muss dir diese Falle abnehmen, ehe er an dich herankommt.
»Warum schießt er nicht zurück? Sie haben genug Waffen für eine kleine Armee«, sagte Rikki.
Judith zuckte die Achseln und versuchte Stefans exakten Standort zu bestimmen. Sie fühlte seine Konzentration, enorme Energien, die sich geradewegs auf einen Gegenstand richteten, der ein gutes Stück weit von ihm entfernt war. Sie fing das Bild ein und hätte beinah aufgeschrien. Diese Woge von Angst
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