Hüterin der Seele -: Sea Haven 2 (German Edition)
den pulsierenden Trommelschlag auf, als sei ein Herz zum Leben erwacht, dort in diesen wogenden, finstereren Geistern.
Judith presste ihre Finger auf ihre Handfläche und ihr eigener Herzschlag folgte diesem unheilverkündenden, gespenstischen Rhythmus. Silhouetten begannen Gestalt anzunehmen, sich aufzubäumen und zurückzuweichen, während die Kerzen in die Mitte des Raumes sprangen – zu Jean-Claude. In dem gefühllosen Mann herrschte innere Leere und die Energien hatten es darauf abgesehen, dieses Vakuum zu füllen. Judith konnte sehen, wie sich seine Haut im Schein des tanzenden purpurnen Lichts subtil veränderte und sein perfekt getönter Teint sich aschgrau verfärbte.
Sie versuchte Glück zu verströmen, doch Furcht sandte ihre Strahlen durch den Raum und die Erscheinungen dehnten sich aus, kamen aus dem strömenden schwarzen gehässigen Saft heraus und wuchsen in dem Maß, in dem ihre Furcht anschwoll. Jean-Claude bemerkte weder die Schatten, die an seinen Armen hinaufkrochen, noch seine geschwärzten Finger oder die subtilen Veränderungen seiner Haut. Jedes Mal, wenn er das Gemälde umdrehte und es von den Keilrahmenleisten zu reißen versuchte, betteten sich die scharfen Glasscherben in seine Haut ein. Blut nährte die Phantome, sodass sie monströse Gestalten annahmen. Judith griff nach der Leinwand und versuchte sie ihm aus den Händen zu ziehen.
Jean-Claude knurrte, entriss ihr das Gemälde, warf sie dabei fast zu Boden und fluchte, als er selbst stolperte. Blut tropfte stetig.
»Er ist nicht da«, flüsterte Judith. »Jean-Claude, bitte, lass uns gehen. Er ist nicht da. Wir müssen gehen, jetzt gleich.«
Jean-Claude warf das Gemälde an die Wand. Der Knall hallte durch den Raum und seine Wut steigerte sich direkt proportional zu der zunehmenden Gewalttätigkeit der wogenden Emotionen. Die Energien drehten sich rasend im Kreis, wie ein furchtbarer Wirbelsturm, der sich von der Decke bis zum Boden bildete und durch das Studio sauste, auf der Suche nach einem Opfer – auf der Suche nach Jean-Claude.
Er schlug ihr mit dem Handrücken ins Gesicht und sie flog im hohen Bogen durch die Luft und landete zwischen den Schatten auf dem Boden. Um sie herum sprühten Blutstropfen herunter. Sie versuchte zur Tür zu kriechen, in der Hoffnung, er würde ihr folgen. Wie konnte er derart blind sein? Wie konnte er die Dämonen nicht fühlen, die sich aufblähten und nach ihm griffen, während das purpurne Licht der Kerzen sich ihm entgegenreckte? Alles in dem Raum reckte sich ihm mit gieriger Begeisterung entgegen, von oben und von unten, die berstenden Äste, die gehässigen Baumstämme, die kristallinen Tränen.
Er trat sie mehrfach und folgte ihr, wie sie es gewollt hatte. Auf seinem Gesicht zeigte sich in dem purpurnen Licht eine barbarische Wut, die kochte und brodelte, bis sie vollständig ausbrach und er in dem Moment, als sie die Tür erreichte, ihre Beine packte und sie mitten in den Raum zurückzerrte.
»Wo ist der Chip?«, zischte er, und seine Lippen zogen sich von widerwärtig gefletschten Zähnen zurück. Seine Zähne sahen schärfer aus, seine Lippen dünner. Die äußere Hülle des Mannes, die immer attraktiv gewesen war, schien sich vor ihren Augen aufzulösen, und der finstere, hässliche Mann in seinem Innern tauchte auf, wie von diesen finsteren Geistern geboren. »Du heimtückisches Miststück. Du hast ihn verkauft!«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe ihn nicht verkauft. Ich habe ihn gefunden und da Paul für eine Computerfirma gearbeitet hatte, dachte ich, er hätte ihn dort angebracht, als er die Leinwand für mich gespannt hat. Ich habe ihn für ein Symbol gehalten, seinen Glücksbringer für mich. Ich habe ihn in einer der Objektkammern meines Kaleidoskops eingeschlossen.«
Er riss den Kopf herum, ein Jagdhund, der eine finstere Fährte wittert. Er trat mitten auf die Leinwand, direkt auf Pauls Namen, diese weinenden japanischen Schriftzeichen, das einzig Schöne in diesem Werk des Hasses und der Zerstörungswut. Glas knirschte unter seinem Stiefel und die scharlachroten Buchstaben überzogen sich mit geschwärztem Ruß, als hätten die brennenden Kerzen den Boden mit einer dünnen Schicht überzogen, die sich an die Sohle seines Stiefels geheftet hatte.
Jean-Claude watete durch die wirbelnden Energien, als sähe er sie nicht. Der Raum stieß ein triumphierendes Zischen aus, als er auf das große Kaleidoskop zuging und die Abdeckung herunterriss.
Judith benutzte ihre Fersen
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