Hüterin der Seele -: Sea Haven 2 (German Edition)
übersinnliche Gaben glaube.«
Sie blieb hinter der Arbeitsplatte, wo sie sich etwas sicherer fühlte – oder wo sie dafür sorgen konnte, dass er vor ihr in Sicherheit war. Bis zu diesem Augenblick war ihr nicht bewusst gewesen, dass sie sexuell derart ausgehungert war. Sie traf sich nicht mit Männern. Sie traute keinem genug, um ihn so nah an sich heranzulassen – nah genug für Intimitäten. Und für One-Night-Stands war Judith nicht geschaffen. Für sie gab es nur alles oder nichts, und seit sehr langer Zeit war es nichts gewesen. Dabei musste es natürlich bleiben, aber …
Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und zerzauste es noch mehr. Sie hatte bisher nicht wahrgenommen, wie lang und wie dicht sein Haar war. Er hatte wunderschönes Haar. Judith war gegen ihren Willen von diesem dichten, welligen Haar fasziniert, und es juckte sie in den Fingern, es zu berühren. Warum musste er bloß so attraktiv sein?
»Entschuldigen Sie, dass ich …« Er ließ seinen Satz abreißen und machte den Eindruck, eine Spur zu erröten. »Sie wissen schon, wovon ich rede. Normalerweise neige ich nicht zu sexuellen Phantasien über Frauen, aber Sie sind sehr sexy und für mich ist es lange her.« Jedes Wort seines Geständnisses kam ihm gequält über die Lippen.
Sie durfte nicht zulassen, dass er die Schuld auf sich nahm. Auch wenn es noch so erniedrigend war, hatte er den Mut aufgebracht, das zu gestehen, was er für seine Sünde hielt. Wenn er das konnte, konnte sie es auch.
Judith feuchtete ihre Lippen an. »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Thomas. Ich bin auf Distanz gegangen, damit Sie vor mir sicher sind. Ich scheine selbst ein paar abwegige Gedanken gehabt zu haben. Es tut mir schrecklich leid.«
Er hob den Kopf und sah ihr in die Augen. »Sie brauchen die Schuld nicht auf sich zu nehmen, Judith.«
»Ich bin nur ehrlich. Glauben Sie mir, wenn es nicht die Wahrheit wäre, würde ich es niemals sagen.«
Ein bedächtiges Lächeln zog an Stefans Mundwinkeln, obwohl gleichzeitig sein Schwanz so steinhart wurde, dass er befürchtete, er würde explodieren. Ein seltsames Dröhnen setzte in seinem Kopf ein. Der Donner seines Herzens war laut genug, um die Toten zu wecken. Er wollte sich keine Gedanken über den wahren Grund für die Hochstimmung machen, die von ihm Besitz ergriffen hatte. Wenn man einen Job übernahm, dann hatte man ihn zu erledigen und musste das, was man tat, nicht unbedingt genießen. Er hatte keine Gefühle, die ihn in die eine oder andere Richtung zogen – oder ihn angreifbar machten.
Ihm sollte vollkommen egal sein, dass Judith Henderson glaubte, sie hätte sich denselben erotischen Phantasien hingegeben, die ihm durch den Kopf gegangen waren. Ihn sollte nicht interessieren, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte, abgesehen davon, dass es ihm die Arbeit erleichterte. Er sollte nicht in Gefahr sein, in ihren erstaunlichen Augen zu ertrinken. Er war erst seit einer Stunde in ihrer Nähe und baute jetzt schon einen Haufen Scheiße.
»Sind Sie immer noch bereit, morgen auf Ihrer Farm mit mir Traktor zu fahren?« Er musste ihr die Möglichkeit zu einem Rückzieher geben. Thomas Vincent war ein anständiger Mann, und was seine Zurückhaltung gegenüber Frauen anging, hatte Stefan keine Wahl. Wenn es seine eigene Angelegenheit gewesen wäre, wäre sie nirgendwo vor ihm sicher gewesen.
»Selbstverständlich. Ich kann Sie doch nicht für etwas verurteilen, wenn ich selbst keine Spur besser war als Sie. Wir einigen uns nur darauf, uns zu benehmen.« Sie sah ihn mit einem schwachen, hoffnungsvollen Lächeln an.
Oh ja. Sie kaufte ihm die Thomas-Vincent-Nummer ab, denn sonst wäre ihre Sorge viel größer. Er konnte die Wachsamkeit in ihren Augen sehen, aber der Umstand, dass er Abstand hielt und so umsichtig gewesen war, die Schuld für die Gedanken eines gesunden Mannes auf sich zu nehmen, war ein gutes Zeichen. Ganz nebenbei fühlte sie sich aber auch geschmeichelt. Er wandte den Blick ab, nicht weil Thomas es getan hätte, sondern weil sie so verdammt schön war, so glanzvoll und unschuldig, dass ihm sein eigenes Täuschungsmanöver die Luft abschnürte. Nicht ein einziges Mal in seinem Leben hatte er Scham empfunden, weil er einen anderen Menschen irregeführt hatte. Aber Judith mit ihrer Bereitwilligkeit, einem Wildfremden gegenüber einen peinlichen Moment zuzugeben, und mit diesem tiefen Kummer, den sie so sorgsam vor dem Rest der Welt verbarg, obwohl er sie niederdrückte, gab ihm
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