Hüterin der Seele -: Sea Haven 2 (German Edition)
beherrschen, und das machte ihn ihr überlegen. Wenn sie sich ihrer selbst nicht sicher war, konnten unerklärliche Dinge passieren – wie zum Beispiel, dass Thomas Vincent seine erotischen Phantasien versehentlich direkt in ihre Wahrnehmung hineinprojizierte.
Er zuckte die Achseln. »Na schön. Ich besitze gewisse Fähigkeiten und ich glaube, in Sea Haven sind Energien am Werk, die manche Dinge verstärken …« Wieder unterbrach er sich voller Unbehagen.
Sowie sich seine Hand so sanft und doch voller verborgener Kraft auf ihre gelegt hatte, um sie daran zu hindern, den Sheriff anzurufen, hatte Judith die brandende Glut zwischen ihnen in ihrem ganzen Körper wahrgenommen. Das Feuer war heißer als alles, was sie je erlebt hatte, ein aufflammendes Verlangen, das wuchs und sich ausbreitete und sie unruhig und sehnsüchtig werden ließ.
Judith war schockiert und beschämt und sicher, dass sie sich für den Rest ihres Lebens erniedrigt hatte. Jetzt schluckte sie schwer und musterte Thomas Vincents abgewandtes Gesicht. Seine Unbeholfenheit war liebenswert und vertrug sich überhaupt nicht mit seinem kräftigen, muskulösen Äußeren – und das galt auch für seine Schnelligkeit und seine Sanftmut. Nachdem Inez sie gebeten hatte, sich mit dem Mann zu treffen, hatte sie Nachforschungen über ihn angestellt. Sie misstraute Fremden prinzipiell, und seit Levi ihre Schwester Rikki geheiratet hatte, war dieses Misstrauen noch größer geworden. Ihrer ganzen Familie war vollkommen klar, dass Levi Hammond nicht sein richtiger Name war, aber keine von ihnen störte sich daran. Jetzt gehörte er zu ihnen und sie würden ihn beschützen, wie sie einander beschützten.
Sie hatte im Internet nach Thomas Vincent gesucht und sein Name war augenblicklich mehrfach aufgetaucht. Er war viel mehr als das, was er so beiläufig erwähnt hatte. Er war ein Mann, der einen Ruf für brillante Geschäfte hatte, sich auf scheiternde Unternehmen stürzte, ihnen zum Erfolg verhalf und sie mit großem Gewinn weiterverkaufte. Berichten zufolge war er millionenschwer. Er war der einzige Sohn eines Eisenbahnarbeiters. Seine Mutter war im Kindbett gestorben und er war von seinem Vater großgezogen worden. Der Vater hatte nie wieder geheiratet und war vor ein paar Monaten an Krebs gestorben. Bei diesem familiären Hintergrund war es leicht zu verstehen, warum er eine so mächtige Gestalt im Geschäftsleben, aber im Umgang mit Frauen eher schüchtern war.
Es gab etliche Fotos von Thomas Vincent mit seinem Vater und die beiden schienen einander sehr nahezustehen. Es tat ihr leid für ihn. Kein Wunder, dass er einen Schritt in Erwägung zog, der sein Leben verändern würde. Und so wahr ihr Gott helfe, sie fühlte sich zu ihm hingezogen. Und das war bei weitem das Erschreckendste von allem. Sie würde es nie wieder riskieren, sich zu verlieben und die Menschen, an denen ihr Herz hing, in Gefahr zu bringen. Sie hatte bewiesen, dass sie unfähig war, eine gute Wahl zu treffen. Aber in den letzten fünf Jahren hatte sie nicht ein einziges Mal geglaubt, das könnte ihr passieren – diese erstaunliche, erfrischende, belebende Reaktion auf einen Mann.
Sie wollte ihm aus der Klemme helfen, obwohl er sie zu Tode erschreckt hatte. Sie hatte geflirtet. Nicht ostentativ, aber sie hatte eindeutig etwas mehr Bein gezeigt, in der Hoffnung, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Sie hatte sich hocherotischen Phantasien über ihn hingegeben und sich ausgemalt, wie er sie an Ort und Stelle nahm, etwas, das vollkommen untypisch für sie war, und irgendwie war sie mit seinen Gedanken in Verbindung getreten.
Ihre zügellosen Phantasien waren außer Kontrolle geraten und er hatte sie aufgeschnappt und hielt sich selbst dafür verantwortlich. Er besaß eindeutig übersinnliche Fähigkeiten und durch ihre Reaktion hatte sie zweifellos verraten, dass auch sie Gaben besaß. Sea Haven war tatsächlich eine Stätte der Kraft, ein magischer Ort, der seine eigenen Energien ausstrahlte, wie auch immer man es nennen wollte. Und Menschen mit übersinnlichen Fähigkeiten fühlten sich von diesem kleinen Epizentrum angelockt.
»Falls Sie mir zu sagen versuchen, dass Sie übersinnliche Fähigkeiten besitzen«, sagte sie, »dann kann ich Ihnen versichern, die habe ich auch.«
Er wirkte unendlich erleichtert, als er sich wieder auf den Stuhl am Computer sinken ließ. »Die meisten Menschen halten mich für verrückt. Deshalb gebe ich anderen gegenüber nicht einmal zu, dass ich an
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