Hütet euch vor Harry
gesenkt, eine Gefahr schien demnach nicht zu bestehen.
Im Zimmer standen ein Holzbett und ein alter wurmstichiger Kleiderschrank. Es gab nicht einmal ein Waschbecken, und der Fußboden war aus unebenen Brettern zusammengenagelt.
Frau Bärmann hatte diese karge Einrichtung noch nie zuvor als so nebensächlich empfunden wie in diesem schrecklichen und alles entscheidenden Augenblick.
Weder der Schrank noch das Bett waren wichtig. Es zählte nur das, was auf dem Bett lag.
Ein Klumpen, schwarz, blutig und leicht glänzend. Ein Klumpen, der noch zuckte, sich bewegte, der einfach nicht ruhig liegenbleiben konnte, der schmatzende Geräusche von sich gab, der sich verkleinerte, weil in seinem Innern etwas geschah, was dafür sorgte, für das aber keiner eine Erklärung hatte.
Der Geruch von altem Fleisch und vermoderter Haut durchwehte die Luft, und Frau Bärmann konnte keine Sekunde länger stehenbleiben. Sie machte auf dem Absatz kehrt und lief zum Waschbecken, wo sie sich übergeben mußte.
Das Rauschen des Wassers übertönte die Schritte des Brillenträgers, der das Zimmer ebenfalls wieder verlassen hatte und aussah, als hätte er in den letzten Sekunden alles verloren, was in seinem Leben einmal wichtig gewesen war.
Er konnte nicht mehr, ging einfach weiter, und es sah so aus, als würde er im nächsten Augenblick einfach gegen die Wand laufen. Er konnte gerade noch abstoppen, beugte sich dann vor und ließ sich gegen die Wand fallen, einen Arm angewinkelt und gegen die Wand gestützt. Er preßte seine Stirn gegen das Leder des Mantels, holte keuchend Luft und schüttelte dabei den Kopf.
Aus dem Zimmer klangen die Geräusche bis in die Küche. Das Knacken, Reißen, das Schlürfen und Schmatzen.
Irgendwann hörte es auf, und irgendwann kamen auch die beiden Kriminalbeamten wieder zur Besinnung. Fast gleichzeitig mit Frau Bärmann, die sah, daß sich alle wie in Trance bewegten und sich keiner so recht traute, auf die offene Tür zu schauen.
Sie fand dann Mut, sah hin, wollte wieder wegsehen, aber schaute noch einmal.
Das war doch nicht möglich, das konnte nicht sein! So etwas gab es einfach nicht!
Das Bett war leer.
Frau Bärmann faßte sich an den Kopf. Diese hektische Bewegung ließ auch die beiden Männer aufmerksam werden, und es war der Brillenträger, der eine Frage stellen wollte.
Frau Bärmann aber deutete nur auf die Tür. Reden konnte sie nicht mehr, die Überraschung hatte ihr die Sprache verschlagen. Was über ihre Lippen drang, war nicht mehr als ein leises Keuchen.
»Was ist denn?«
Ihre hin- und herzuckende Hand deutete auf den Durchgang zum Nebenzimmer.
Der Brillenträger drehte sich. Er zwinkerte, ging vor, sein Mund öffnete sich.
»Weg!« sagte er mit einer schrill klingenden Kieksstimme. »Verdammt, der ist weg…«
»Was?« schrie Rudolf.
»Ja, schau selbst!«
Wenig später standen sie im Zimmer, und Frau Bärmann gesellte sich zu ihnen.
Sie bekam gerade noch mit, wie Rudolf einen Kommentar abgab und mit seinen Worten wohl den Nagel auf den Kopf traf.
»Er hat sich selbst aufgefressen, verdammt. Hany hat sich aufgefressen…« Dies geschah im Jahre 1941 in einer deutschen Stadt an der Elbe.
***
Lady Sarah und ich wußten nicht, was wir tun sollten und ob wir überhaupt das Richtige taten. Janes Anfall hatte uns zu sehr überrascht, sie bewegte sich hektisch, verlor jede Beherrschung und schleuderte mit einer wilden Bewegung die dünne Decke zur Seite, die wie eine große Fahne durch den Raum flatterte. Lady Sarah, die aufgesprungen war, geriet genau in die Flugbahn der Decke, so daß sie sich erst von ihr befreien mußte, um mir dann zu Hilfe eilen zu können.
Ich hatte mich auf das Bett und auf Jane Collins geworfen, als sie in die Höhe schnellen wollte. Mit meinem Gewicht preßte ich mich gegen sie und wollte ihre Handgelenke umklammern, was leichter gesagt als getan war, denn sie schlug mit den Armen wild und zuckend um sich. Dabei schrie sie auch weiterhin, und in ihre Schreie mischten sich grell klingende Sätze, die sie immer wiederholte.
»Er ist da! Harry ist da! Harry ist da!«
Lady Sarah eilte mir zu Hilfe, damit wir gemeinsam die Tobende bändigen konnten.
Sie versuchte, Janes Beine zu umklammern, denn die Detektivin fing wieder an zu strampeln.
»Das habe ich bei ihr noch nicht erlebt!« keuchte die Horror-Oma. »So schlimm war es noch nie.« Sie schaffte es nicht, die Beine zu halten.
Jane entwickelte plötzlich übermenschliche Kräfte, und die Hände
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