Hütet euch vor Harry
davon abzuhalten schien.
»Was ist denn, Rudolf?«
»Ich weiß es nicht genau. Aber ich habe komische Geräusche gehört.«
»Wo?«
»Hinter der Tür.«
Frau Bärmann mischte sich ein. »Hören Sie, was wollen Sie eigentlich von Harry?«
Beide Männer schauten sie erstaunt an. Der kleinere trug eine Brille ohne Rand und zwinkerte hinter den Gläsern.
»Wollen Sie uns auf den Arm nehmen, oder wissen Sie das tatsächlich nicht?«
»Ich weiß es nicht.«
Rudolf, der Größere, antwortete. »Das ist ganz einfach. Ihr Untermieter Harry ist ein mehrfacher Frauenmörder. Er ist das Phantom, das wir schon lange suchen.«
Frau Bärmann wurde so bleich, daß es ihr die beiden Beamten abnahmen, nichts gewußt zu haben. So gut konnte niemand ohne Ausbildung schauspielern. Und als Wäscherin besuchte man keine Schauspielschule. Sie mußte sich setzen und fing an zu zittern. Sie wunderte sich darüber, daß sie noch sprechen konnte, als sie mit leiser Stimme sagte: »Da hab’ ich ja riesiges Glück gehabt.«
»Kann man wohl sagen, Frau Bärmann.«
»Dabei war er immer so nett.«
Der Brillenträger lachte. »Das sind die Mörder oft. Oder glauben Sie, man liest es ihnen an den Gesichtern ab? Er ist auch nicht an der Front, wo er eigentlich hingehört hätte.«
»Das sind Sie ja auch nicht«, erwiderte sie spontan. Für diese Antwort hätte sie sich am liebsten selbst in den Hintern getreten. Typen wie diese beiden Männer verstanden keinen Spaß.
Der Brillenträger ging einen Schritt auf sie zu, blieb aber dann stehen.
»Das ist doch wohl bei uns etwas anderes – oder nicht?«
»Ja, entschuldigen Sie bitte. Ich habe mich ungeschickt ausgedrückt. Tut mir leid.«
»Schon gut.«
»Soll ich?« fragte Rudolf.
»Ja.« Auch der Brillenträger zog eine Waffe. Beide Männer rechneten mit dem Schlimmsten.
»Kann ich hier in der Wohnung bleiben?« fragte Frau Bärmann, deren Angst gestiegen war.
»Das überlassen wir Ihnen.« Rudolf, der noch immer die Klinke hielt, drückte sie langsam nach unten.
Ein Geräusch entstand kaum, er bekam die Tür auch auf, stieß sie aber nicht nach innen, denn ebenso wie Frau Bärmann und sein Kollege hörte er aus dem Nebenraum Laute, die widerlich, grauenhaft und einfach furchtbar waren.
Die drei Menschen in der Küche wirkten plötzlich wie Puppen, die sich nicht mehr bewegen konnten. Sie schienen vereist zu sein, die Kälte kroch in ihre Glieder, und sie zuckten auch gemeinsam zusammen, als sie das Knacken hörten, als wäre jemand dabei, alte Knochen zu zerbrechen oder zu zermalmen.
Es war furchtbar…
Frau Bärmann stand auf. Blaß im Gesicht, fahrig, zitternd. »Das – das ist ein Tier – oder?«
Rudolf wollte Bescheid wissen. Er stieß die Tür auf, drehte sich, richtete die Waffe in das Zimmer, schoß aber nicht, sondern fuhr mit einem Schrei auf den Lippen zurück, wobei er aus Versehen die Tür wieder ins Schloß drückte.
Er wich steifbeinig zurück, wie jemand, der unter einem fremden Bann steht. Sein Mund stand offen, die Augen wirkten gläsern, und dann flüsterte er die ersten Worte. »Ich – ich kann es nicht fassen. Nein, verdammt, ich fasse es nicht!«
»Was ist denn?« fragte sein Kollege.
»Daaa«, röchelte er. »Im… im Zimmer… es ist einfach nicht zu fassen. Es ist furchtbar…«
»Was?«
»Er…«
»Harry?«
Rudolf konnte nur nicken. Dann ging er zum Waschbecken, beugte sich darüber und würgte.
Frau Bärmann schaute den Brillenträger an. Dabei hob sie die Schultern.
»Ich weiß es auch nicht«, sagte sie leise, »am besten ist es, wenn Sie mal nachschauen.«
»Das werde ich auch.« Entschlossen klang die Stimme nicht, aber der Beamte wollte sich nicht einschüchtern lassen. Er mußte jetzt Mut zeigen, besonders vor den Augen der Frau.
Deshalb ging er mit festen Schritten auf die Tür zu, umfaßte die Klinke und zögerte für einen Moment, die Tür nach innen zu drücken. Er biß sich auf die Lippe.
Vom Waschbecken her meldete sich Rudolf. Er war schwer zu verstehen, weil er sich seine Lippen mit einem Taschentuch abwischte.
»Auf dem Bett – es ist auf dem Bett.«
»Wieso es?«
»Schau nach.«
Der Brillenträger öffnete die Tür. Sehr schnell und mit einem kurzen Ruck.
Dann stand er im Zimmer – und schrie!
Es war kein lauter Schrei, sondern mehr ein Krächzen des Entsetzens, das aus seinem Mund drang und das Frau Bärmann alarmierte. Sie war neugierig genug, um ebenfalls nachzuschauen. Zudem hatte der Mann seine Waffe
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