Hüttengaudi
Werdenfelser sture Hackstöcke sind, oder.«
»Sag mal, ist das nicht Blödsinn, was wir hier machen?«
»Ist es nicht. Der Mann ist Tierarzt, kein Jurist. Dem wird das nicht sonderlich komisch vorkommen, wenn die Polizei aus Garmisch hier auftaucht.«
»Gott erhalte deinen Glauben, das kann uns so was von Ärger einbringen!«, rief Irmi.
»Dann drehen wir halt um. Haben ein paar Souvenirs gekauft, übernachten in einem schönen Hotel, warum auch nicht. Haben wir eben einen Teamintegrationsausflug unternommen zur Kommunikationsbildung oder so.« Kathi sah Irmi provozierend an.
»Kathi, es heißt Teambildung!«
»Egal, also was jetzt?«
»Läute!«
Es schrillte, ein altmodischer Ton. Wenig später polterte es auf der Treppe, und die Tür ging auf. Klaus Geipel war groß und schlank. Er hatte auffallend grüne Augen und die feinen Gesichtszüge der Tochter. Seine dunklen Haare waren auf circa acht Millimeter gekürzt, er hatte graue Schläfen und sah wirklich gut aus. Geipel gehörte zu den Männern, die tatsächlich mit dem Alter attraktiver werden – so wie Sean Connery oder Richard Gere.
»Notfall? Hund oder Katze?«, fragte er und sah die beiden Kommissarinnen aufmerksam an.
»Notfall? Ja, irgendwie schon. Kathi Reindl und Irmi Mangold aus Garmisch. Von der Kripo. Dürften wir reinkommen?«
»Ist was mit Johannes?« In dieser Frage lag eine solche Panik, die nur ein Mensch verspüren konnte, der schon ein Kind verloren hatte. Fast verloren hatte. Zumindest verloren an eine andere Welt.
»Nein, aber es geht um zwei Männer, die Ihnen bekannt sein dürften.«
»Kommen Sie«, sagte er und stieg die Treppe hinauf. Sie betraten eine typische Ferienwohnung. Vom Flur gingen drei Türen ab, eine davon führte in die offene Küche mit Eckbank, die durch ein halbhohes Mäuerchen vom Wohnzimmer abgetrennt war. Die Möblierung war nicht mehr ganz auf dem aktuellsten Stand, in Ferienwohnungen packte man ja gerne mal das abgetragene Mobiliar. Trotzdem war die Wohnung gemütlich. Auf dem Küchentisch türmten sich Unterlagen und Medikamentenschächtelchen. Klaus Geipel lächelte entschuldigend und machte eine Handbewegung in Richtung Wohnbereich.
»Möchten Sie was trinken? Die Auswahl ist allerdings ziemlich mau. Kaffee, Leitungswasser, Bier.«
»Danke, gar nichts. Wir hatten gerade schon eine kleine Verkostung bei Ihrer Nachbarin. Das hier soll ich Ihnen geben.« Irmi reichte ihm das Glas.
»Ah, lecker! Das ergibt die beste Pastasoße, die man sich vorstellen kann. Ich bin ja sonst weniger der Koch.« Er stellte das Glas ab und nahm sich ein Bier aus dem Kühlschrank. »Wirklich nichts?«
»Danke. Sie wohnen seit einigen Monaten ganz hier?«, fragte Irmi.
»Ja, aber ich nehme an, das wissen Sie, sonst wären Sie ja nicht hier. Um was für Männer geht es?«
»Xaver Fischer und Martin Maurer.«
Er schwieg.
»Sie kennen die beiden?«
»Sicher, aber auch das wissen Sie doch bereits. Also, was ist los?«
»Beide sind tot. Ermordet«, sagte Kathi, während Irmi ihn beobachtete.
Er war kein cooler Zockertyp, das hatte sie sofort bemerkt. Er war ein Mensch, der sich sehr viel Mühe gab, mit seiner Vergangenheit zu leben. Der jeden Morgen sich selbst Hoffnung zusprechen musste. Er wirkte beherrscht, und Irmi konnte sich vorstellen, wie viel Energie ihn das kostete. Energie, die eigentlich längst verbraucht war. Es war über die Monate bestimmt zermürbend, das eigene Kind so zu erleben. Und es wurde doch immer schlimmer, je länger man das Leiden eines geliebten Menschen mit ansehen musste.
»Wer hat das getan?«, fragte er.
»Das wissen wir nicht. Sie?«
Er lachte kurz auf. Ein müdes Lachen. »Ja, das habe ich mir oft ausgemalt, das können Sie mir glauben. Aber in Gedanken zu morden ist erlaubt – die Gedanken sind frei.«
»Und was denken Sie jetzt? Hurra?«, fragte Kathi.
»So schnell bin ich nicht. Ich muss das erst mal verdauen. Und ich kann auch nicht triumphieren, falls Sie das annehmen. Dazu bin ich zu müde.«
»Herr Geipel, Sie können uns ja sicher sagen, wo Sie letzten Freitag und Samstag waren?«
»Nicht in Deutschland. Ich war hier. Moment.«
Er ging zu seinem überladenen Küchentisch und fischte einen Timer heraus.
»Also, am Freitag habe ich drei Kälbern auf die Welt geholfen. Einem Hütehund den Fuß geschient, ein Schaf versorgt, das sich mit Stacheldraht angelegt hat. Natürlich ist das alles verzeichnet. Sie können die jeweiligen Tierbesitzer gerne besuchen. Am Samstag haben
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