Hüttengaudi
sich alle Pferde verschworen, drei Koliken, zwei Lahmheiten, dazwischen Kälber.«
Irmi wollte gerade etwas sagen, als ihr Handy mit dem Ton eines anklopfenden Spechts eine SMS meldete.
»Entschuldigung«, sagte sie und überflog rasch die Nachricht:
Frau Mangold, ich weiß ja nicht, warum ich mich auf so einen Blödsinn eingelassen habe, und das am Sonntag. Aber unser Labor hat tatsächlich nachgewiesen, dass das Caninsulin war. Mit freundlichen Grüßen aus der Rechtsmedizin
Irmi tat alles, um die Fassade zu wahren und nicht herauszuplatzen. Das konnte doch kein Zufall sein. Alles passte. Sie schluckte.
»Herr Geipel, das wird sich ja, wie Sie sagen, leicht feststellen lassen.«
»Dann habe ich also ein Alibi?« Er lächelte leicht. »Wieso eigentlich ich?« Er überlegte kurz. »Sie glauben, ich hätte ein Motiv wegen meiner Tochter? Ja, das hätte ich. Aber ich morde nicht. Das macht Ann-Kathrin Maurer nicht mehr lebendig, und meine Tochter holt es nicht aus ihrer inneren Emigration. Außerdem hatten diese beiden Herren sicher auch andere Feinde als mich.«
»Warum glauben Sie das?«, fragte Kathi.
»Martin Maurer ist ein bösartiger Wicht. Ein Mensch ohne Selbstbewusstsein, der sich auf Kosten anderer größer gemacht hat. Auf Kosten seiner Frau zum Beispiel, dieses armen Hascherls. Und Fischer ist ein sturer Bauernschädel, der eine einmal eingeschlagene Bahn nicht mehr verlässt, auch wenn er den Abgrund sieht, in den er rennt.«
»Sie urteilen hart, Herr Geipel!«, sagte Irmi.
»Hart? Frau Mangold, Sie kennen vielleicht die Akten. Aber da steht nicht, was für Sätze mir die beiden an den Kopf geworfen haben. Das Schlimmste war, als ich draußen auf den Höfen hören musste: ›Die kleine Geipel ist im Irrenhaus.‹ Die Väter jener Kinder, die auch in diesen Bauwagen gehen, haben uns am Stammtisch durch den Dreck gezogen. Xaver Fischer hat laut getönt, Margit solle sich nicht so haben. Und Martin Maurer ließ die Botschaft kursieren, dass Gott Margit gestraft habe. ›Die Geipel ist im Fegefeuer‹, hat er gesagt. Als ob der jemals etwas mit Gott am Hut gehabt hätte.«
Irmi spürte wieder diese Übelkeit, die in ihr aufstieg. Das war Stammtischniveau, private Dinge an die Öffentlichkeit zu zerren. Meist steckte Bitterkeit dahinter. Und Neid. Und Ablenkung von den eigenen Schuttbergen, die man schon gar nicht mehr wegkehren konnte. Da hätte man schweres Gerät gebraucht.
»Ich war es aber nicht, weil es mir nicht geholfen hätte. Margit auch nicht. Ich bin froh, hier zu sein. Die Distanz hilft mir ein bisschen.«
Mit einem Seitenblick auf Kathi sagte Irmi: »Die beiden Männer wurden mit einer hohen Dosis schnell wirkenden Insulins getötet.«
Er stutzte. »Ach, und da glauben Sie, Tierärzte zum Beispiel könnten ja Spritzen setzen? Das können aber auch die Kollegen von der Humanmedizin, Krankenschwestern und natürlich die Diabetiker selber.«
»Ja, das mag sein, aber hätten die denn dieses spezielle Insulin? Was, wenn das Insulin Caninsulin war?«
Klaus Geipel fixierte Irmi mit seinen grünen Augen. »Wie bitte?«
»Die Rechtsmedizin hat nachgewiesen, dass die Tötung mit Caninsulin erfolgt ist. Darüber verfügen Tierärzte, Apotheken und Menschen, die einen zuckerkranken Hund besitzen. Unter unseren sonstigen Verdächtigen gab es keine Diabetiker – weder menschliche noch tierische, Herr Geipel. So leicht hat man doch keinen Zugang zu Insulin!«
Geipel trank sein Bier mit einem Schluck aus. Er wirkte auf einmal viel älter. Die Schatten unter seinen Augen waren schlagartig schwärzer geworden.
»Herr Geipel, wo lagern Sie Ihr Insulin?«
»Na, hier, in den Kästen in meinem Wagen und …«
»Und?«
»Zu Hause habe ich noch eine Apotheke. Ich bin ja nur übergangsweise hier, bis Margit …«
»Wer hat Zugang zu Ihren Medikamenten daheim?«
»Niemand. Der Schlüssel liegt in einem Safe im Schreibtisch. Die Kombination kennt niemand. Betäubungsmittel müssen gut verwahrt werden.«
»Und dort bewahren Sie auch das Insulin auf?«
»Nein … äh … das lagert in einem Kühlschrank. Aber der ist auch gut verschlossen.«
»Wer hat Zugang?«, wiederholte Irmi.
»Ja, aber das Haus steht doch leer!«, rief Geipel.
»Wer?«
Sie alle schwiegen, bis Kathi sehr leise sagte: »Johannes hat doch sicher einen Schlüssel für das Haus? Er wird doch ab und zu aus München kommen und nach dem Rechten sehen, oder.«
»Johannes würde doch nie … Oh Gott. Ich hätte ihn nicht allein
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