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Hüttengaudi

Hüttengaudi

Titel: Hüttengaudi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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ihr. Darüber freut sie sich«, sagte die Ärztin und ging davon.
    »Hallo, Margit!«, probierte Kathi, und Irmi schickte ebenfalls ein »Hallo« hinterher.
    »Ich bin die Kathi. Ich treff den Johannes ab und zu in München. Ich hab Freunde in München, die haben eine WG, da kommt der Johannes oft zu Besuch. Und weil wir heute in Lienz sind, dacht ich, ich sag dir Grüße vom Johannes.«
    Nichts.
    »Johannes hat mir erzählt, dass du wahnsinnig toll malen kannst. Er hat ein paar Bilder von dir. Die sind klasse. Du musst unbedingt auf die Kunstakademie gehen.«
    Nichts.
    Kathi warf Irmi einen hilfesuchenden Blick zu, doch die schüttelte ganz leicht den Kopf.
    »Margit, malst du hier auch Bilder?«
    Nichts.
    »Was malst du denn so? Malst du was, wo du …«
    Bevor Kathi weiterreden konnte, hatte Irmi ihre Nägel in Kathis Unterarm gekrallt. Das war bei Irmis Landfrauenhänden zwar weniger tragisch, weil ihre Nägel eh so kurz waren, aber Kathi zuckte trotzdem zusammen. Irmi wollte keinesfalls zulassen, dass dieses Mädchen ausgerechnet von ihnen in die Vergangenheit zurückgeholt wurde. Dazu gab es speziell ausgebildete Ärzte.
    »Dem Johannes geht es gut. Er studiert auch fleißig, und er geht zum Klettern. Diese Jungs in den Felsen kommen mir vor, als hätten sie Saugnäpfe an den Fingern. Mir ist es schleierhaft, wie die sich da festhalten können«, sagte Irmi.
    Mein Gott, es war grauenvoll, irgendwas daherzuplappern und keine Antwort zu erhalten. Es mochte ja Leute geben, die so etwas konnten. Ganz sicher gab es sogar Kandidaten, für die Margit die perfekte Gesprächspartnerin wäre. Eine, die man zutexten konnte, ohne mit Widerworten rechnen zu müssen. Die perfekte Freundin für monologisierende Egomanen.
    »Ja, der Johannes ist echt toll«, schickte Kathi hinterher.
    Dann saßen sie da, es war still – bis auf die Geräusche von ein paar Autos, die wie aus einer anderen Welt in den Park drangen. Als der Schatten kam, wurde es sofort kühl.
    »Magst du nicht reingehen?«, fragte Irmi und hoffte, dass bald eine Schwester kommen würde oder die Ärztin. Sie war so hilflos wie selten. Und wütend. Da saß dieses schöne Kind, das eine glänzende Zukunft vor sich gehabt hätte, und war nichts mehr als eine leere Hülle.
    »Ja, dann begleiten wir dich hinein – und wie gesagt: Der Johannes denkt sehr viel an dich«, sagte Kathi. Irmi hörte, wie ihre Stimme kippte, und sah weg. So hatte sie Kathi noch nie erlebt. Aus den Augenwinkeln nahm sie eine Bewegung wahr: Margit hatte Kathis Arm genommen und ihr die welken Kleeblätter in die Hand gelegt.
    »Danke, Margit, danke. Das ist sehr …« Kathis Stimme brach, Tränen rannen ihr über die Wangen.
    In dem Moment kam die Ärztin. »Oh, haben Sie ein Geschenk bekommen? Das ist aber lieb von dir, Margit. Sehr lieb. Kommst Du mit, Margit?«
    Die junge Frau erhob sich und ging wie eine Aufziehpuppe neben der Ärztin her. Im Haus bog sie wie ferngesteuert nach rechts ab und ging die Treppe hinauf. Am ersten Absatz blieb sie stehen. Kathi und Irmi winkten. Von oben sanken noch ein paar Kleeblätter nieder, dann ging Margit weiter. Kathi lief unter die Treppe und sammelte den Klee auf. Ihre schmalen Schultern zuckten.
    »Es ist hart, wenn man das zum ersten Mal sieht«, sagte die Ärztin.
    »Gibt es denn eine Prognose?«, wollte Irmi wissen.
    »Sicher, wir arbeiten hier nur mit traumatisierten Menschen. Traumata ganz unterschiedlicher Ausprägung. Was wir brauchen, ist Zeit und Geduld. Margit reagiert inzwischen wieder auf Reize. Das haben Sie ja an den Kleeblättern gesehen. Sie nimmt wieder Kontakt zu ihrer Umwelt auf. Ich glaube fest daran, dass sie irgendwann ein normales Leben führen kann.« Die junge Ärztin lächelte. »Sie entschuldigen mich? Und danke für den Besuch. Margit hat sich sehr gefreut.«
    Sie verschwand im Raum hinter der Rezeption.
    Schweigend gingen sie zum Ausgang und hinaus in die Gasse. Irgendwann gelangten sie zum Café Zeitlos in der Zwergergasse, eine Mischung aus Teestube und Loungebar. Jetzt am frühen Abend war wenig los. Eine Frau in Irmis Alter saß in Ökogewandung da, von der Irmi gedacht hatte, dass sie seit den frühen Achtzigern ausgestorben sei.
    Irmi bestellte zwei Tee mit Rum und zwei Stücke Sachertorte. Sie brauchte etwas, das wärmte und sie aus dem Schockzustand riss. Und sie brauchte Schokolade.
    Als Kathi ihre halbe Torte gegessen hatte, begannen die Tränen wieder zu fließen. Ziemlich lange. Irmi reichte ihr ein

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