Huff, Tanya
sehr
reich, aber er ist auch bereit, Geld abzugeben, wenn er ein Anliegen für
berechtigt hält." Der Arzt hielt klinische Distanz zum Geschehen, sprach,
als halte er einen Vortrag, schaffte es so, seine Panik in den Griff zu
bekommen. „Nachdem seine Frau an Nierenversagen gestorben war, fing er an,
Transplantationsprogramme zu unterstützen. Er finanziert entsprechenden
Projekten Anzeigen, zahlt für Schulungsprogramme - viele Ärzte haben keine
Ahnung, wie sie mit dieser ganzen Organspenderfrage umgehen sollen. Swanson hat
dieses Hospiz bezahlt."
„Mehr nicht?"
Es ging nicht an, jetzt nicht fortzufahren, auch wenn es
eigentlich nichts mehr zu erzählen gab. „Persönlich kenne ich ihn nicht. Dr.
Mui..."
„Was ist mit Dr. Mui?"
Wallace hatte die plötzliche Vision von einer wilden
Schlittenfahrt, von Wölfen, die am Schlitten hochsprangen, von Gefährten, die
man diesen Wölfen zum Fraß vorwarf, um sich selbst in Sicherheit zu bringen.
„Swanson hat sie selbst ausgesucht und zur Klinikleiterin bestimmt. Sie hat
vorher als Transplantationschirurgin gearbeitet und galt als hervorragende
Spezialistin, aber es gab auch Gerede von Fahrlässigkeit, was sich aber als
völlig unbegründet herausgestellt hat, und eigentlich hat kaum jemand außerhalb
des betreffenden Krankenhauses je davon erfahren."
„Könnte Swanson davon gehört haben?"
„Ich weiß nicht, aber es passierte zur selben Zeit, als
seine Frau starb." Dr. Wallace fragte sich, ob sein Herz immer so laut und
so schnell geschlagen hatte. So schnell durfte es eigentlich gar nicht
schlagen. Ein Schweißtropfen fiel dem Arzt von der Stirn ins Auge, und das Auge
fing an zu brennen. Vielleicht hat er ihr ja aus dem Grund den Job hier
angeboten."
„Sie ist ungerechtfertigt beschuldigt worden und hat von
daher eine Wut auf das medizinische Establishment."
„Ich würde nicht so weit gehen, das zu sagen."
Wallace faselte und wußte das auch, konnte aber nichts dagegen tun. „Zu mir
sagte Dr. Mui -das heißt, wir haben miteinander gesprochen, als einer meiner
Patienten hierher verlegt wurde, darum bin ich heute auch hier, um nach diesem
Patienten zu sehen - sie wolle in ihrer Arbeit direkter mit Menschen zu tun
haben und sich weniger mit Krankenhausverwaltung und dem ganzen legalen
Schnickschnack abgeben. Hallo?"
Die Augen waren verschwunden, die Finsternis hatte sich
gehoben, und er saß allein in einem leeren Büro und redete mit sich selbst. Es
war vorbei. Er wollte lieber nicht zu lange und zu angestrengt darüber
nachdenken, was es wohl gewesen sein mochte. Er wischte sich die feuchten
Handflächen an den Oberschenkeln ab, stand auf und eilte zum Lichtschalter an
der Tür.
Das Zimmer war voller Schatten, und die Schatten wiederum
waren auch nicht einfach leere Schatten, sie enthielten Dinge. Dr. Wallace hatte
den Verdacht, sie würden nun nie wieder einfach nur leere Schatten sein.
„Das hast du sehr gut gemacht."
„Behandle mich nicht so von oben herab!"
„Tue ich doch gar nicht." Henry legte den
Rückwärtsgang ein und fuhr vorsichtig vom Parkplatz. Das letzte, was er jetzt
wollte, war, unnötige Aufmerksamkeit zu erregen. Nummernschilder konnten
überprüft und mit ihrer Hilfe die Halter aufgespürt werden. „Du hast ihm keine
Erinnerung hinterlassen außer Angst. Ich war ziemlich beeindruckt."
„Beeindruckt?"
„Bitte vergiß nicht, daß du in dieser Existenz noch
ziemlich jung bist. Du zeigst großes Talent."
Vicki schnaubte. „Das war nun wirklich von oben
herab!"
„Ich habe versucht, dir ein Kompliment zu machen."
„Dürfen Vampire das? Anderen Vampiren Komplimente machen?
Ist das nicht irgendwie gegen die Vorschriften?"
Henry bog in die Mt. Seymour Road ein, gab Gas, wechselte
fast sofort auf die Überholspur und umrundete zwei LKW in einem Manöver, das
ein Sterblicher nicht überlebt hätte. „Ich weiß, daß du dich mit Mike Celluci
streitest, um so Spannungen abzubauen", knurrte er mit zusammengebissenen
Zähnen. „Ich verstehe das sogar. Aber ich bin nicht Mike, und wenn du mit mir
einen Streit vom Zaun brichst, wirst du feststellen, daß das ganz andere und
sehr bedauerliche Folgen haben wird. Mittlerweile ist doch wohl selbst dir
klar, daß keiner von uns letztlich verhindern kann, daß Auseinandersetzungen
zwischen uns schnell über die verbale Ebene hinausgehen."
„Ich kann mich beherrschen."
,Vicki!"
„Tut mir leid." Vicki drehte und wand sich
unbehaglich in den Sicherheitsgurten, die ihren
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