Huff, Tanya
Nasenspitze und drehten mit
Schwung. Knorpel krachten. „Halten Sie mich bloß nie für dumm."
Mike blinzelte, bis die Tränen, die ihm gegen seinen
Willen in die Augen geschossen waren, verschwunden waren und schnaubte dann:
„Wäre mir nie in den Sinn gekommen." Um die Wahrheit zu sagen, war ihm den
ganzen Abend lang ohnehin wenig in den Sinn gekommen. Das mochte am Blutverlust
liegen oder an den Nachwirkungen des Betäubungsmittels. Wie dem auch sein
mochte: Bewußtes Nachdenken erforderte große Anstrengung, und die aufzubringen
sah er sich nicht in der Lage.
„Warum grinst du sonst, du Scheißer?"
Aber die Anstrengung mußte gemacht werden, denn Celluci
verfügte im Augenblick nur über eine einzige Informationsquelle. Er mußte zumindest
versuchen, mehr über seinen Gefängniswärter herauszufinden -wenn er auch
vielleicht mehr nicht zuwege bringen würde. Also wies er mit dem Kopf auf die
Suppenschale, die neben dem Bett auf dem Nachttisch stand. „Frau Doktor hat
Anweisung gegeben, mich zu füttern."
Sanfte Augen wurden zusammengekniffen. „Ja, und?"
„Also müssen Sie entweder den Fernseher lauter drehen und
das Risiko eingehen, daß jemand ihn hört, oder Sie verpassen das Spiel. So
oder so: Ich gewinne."
„Unter diesen Umständen sollte ich ihnen vielleicht
einfach nichts zu essen geben."
„Und die Frau Doktor verärgern?"
Ganz offenbar war das etwas, was unter keinen Umständen
geschehen durfte. In den riesigen Händen des Pflegers wirkte die Suppenschale
wie eine Zwergentasse. Sullivan grinste heimtückisch. „Machen Sie mal schön den
Mund auf, sonst mach ich Ihnen den auf."
Angesichts der tagtäglichen Konfrontation mit gewaltsamem
Tod, der sich Polizeibeamte ausgesetzt sehen, haben diese Menschen zwei Möglichkeiten,
mit der Gewißheit umzugehen, daß auch sie unweigerlich irgendwann einmal
sterben müssen: Sie können diese Tatsache verdrängen oder so lange immerfort
daran denken, bis der Tod kein Geheimnis
mehr birgt und somit ebenso Teil ihres Lebens wird wie das
Atmen. Celluci, der heftig spuckend fast an der Suppe erstickt wäre, die
Sullivan ihm in den Rachen kippte, mußte sich eingestehen, daß er bei all
seinem Nachdenken über den Tod das Ersticken an klarer Rinderbrühe nie ernsthaft
für eine mögliche Todesart gehalten hatte.
Immer noch hustend rang der Detective heftig nach Luft,
als Sullivan auch schon aus dem Raum eilte. „Pissen können Sie später",
rief der riesige Mann seinem Patienten zu, womit er die Tür hinter sich
zuknallen ließ.
Celluci gab sein Äußerstes, um sich nicht übergeben zu
müssen - denn wenn er nicht am Erbrochenen erstickte, würde er darin liegen
müssen, konnte sich jedoch für die zweite Möglichkeit ebensowenig erwärmen wie
für die erste - und errang nach und nach wieder die Kontrolle über den eigenen
Körper. Immer noch keuchte und schluckte er schwer, aber jeder Atemzug war
schon tiefer als der vorhergehende, so daß es ihm schließlich gelang, einen
letzten Brechreiz zu unterdrücken.
Als alles vorbei war, lag er reglos und erschöpft und
fühlte sich, als habe er gerade zehn Runden lang gegen Mike Tyson gekämpft.
Aber nun war ihm Sullivans Temperament schon wieder um einiges vertrauter - und
er hatte einen Plan.
Nun gut: zumindest fast so etwas wie einen Plan.
„Hast du etwas gefunden?"
„Vicki, ich bin Schriftsteller. Ich schalte meinen
Computer ein, spiele ein bißchen Solitaire, beantworte meine Mails und schreibe.
Alles, was komplizierter ist, interessiert mich nicht, und ich verschwende
keinen Gedanken daran." Mit gerunzelter Stirn starrte Henry auf den
Bildschirm und schlug mit den Fingernägeln sanft gegen die Kante der Tastatur.
Vicki hob den Kopf von dem Schrank mit den Hängeordnern,
den sie gerade einer aggressiven und intensiven Suche unterzog, und linste quer
durchs Zimmer auf den Monitor. „Scheint, als bräuchtest du nur mit dem Cursor
irgendwo draufzugehen und die Datei dann anzuklicken", bemerkte sie ein
wenig ungeduldig.
„Hier ist alles verschlüsselt. Ohne Dr. Muis Kennwort kann
ich hier gar nichts öffnen."
„Ich verstehe nicht, warum die paranoide Kuh kein
Adreßbuch haben kann wie andere Leute auch", zischte Vicki, schlug eine
Schrankschublade zu und öffnete die nächste. Sie wollte doch nur ein paar
Adressen! Am liebsten natürlich eine mit dem Vermerk: Versteck Michael
Cellucis. Aber wenn sie die nicht fand, dann würde ein anderer Vermerk es auch
tun: Hier wohnen die Leute, die die ganze
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