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Huff, Tanya

Huff, Tanya

Titel: Huff, Tanya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blood Ties 05 - Blutschuld
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wie
möglich zu Hilfe zu eilen und ihrer tiefsitzenden Neugier hin und her gerissen,
als sie sich rasch und methodisch Zugang zu immer neuen Dateien verschaffte.
Dies war wahrscheinlich die einzige Gelegenheit in diesem Fall, sich
ausführlich Informationen zu beschaffen, und die konnte sie doch unmöglich
einfach ungenutzt verstreichen lassen.

Dr. Mui verfügte über extensive E-Mail-Archive, alle
säuberlich geordnet, die sich in den meisten Fällen auf die Korrespondenz mit
einem Geldinstitut bezogen.
    „Schweizer Bankkonten?" wagte Henry eine Spekulation.
    „Unter anderem - und noch einiges andere, das nicht ganz
so altmodisch ist. Anscheinend schickt unsere Frau Doktor reichlich Geld ins
Ausland, in irgendwelche Steueroasen."
    „Ärzte verdienen nun einmal sehr gut."
    „Schon - aber hier geht es um mehr Geld, als sich selbst
in British Columbia mit Privatpatienten erwirtschaften läßt, die für jeden
Handschlag extra zur Kasse gebeten werden. Dazu kommen das Auto und die Wohnung.
Ich denke, wir können getrost davon ausgehen, daß Swanson die Frau gekauft hat
und daß sie nicht billig war. Er muß für die Nieren ein verdammtes Vermögen
verlangen, wenn er bei diesen Ausgaben aus der Sache noch Profit ziehen
will."
    „Welchen Preis hat ein Leben?" fragte Henry leise.
    Vicki drehte sich um und sah ihn an. Dann nickte sie. „Da
hast du recht."
    Einen Moment lang dachte Henry, sie würden einander
berühren können, ohne Blut, ohne Leidenschaft, in Freundschaft. Der Moment verging,
das Gefühl blieb. „Wir dürfen nicht vergessen, daß Swanson das Geld, das er
seinen Spendern bietet, immer wieder neu investieren kann."
    „Auch wieder wahr." Mit zu einem einzigen, dünnen
weißen Strich zusammengepreßten Lippen fuhr Vicki den Computer herunter. „Jetzt
wissen wir, wo er wohnt und sollten ..."
    Sie beide hörten im selben Moment das Leben, das sich dem
Büro näherte. Ledersohlen schlugen gegen Kacheln, kamen näher, schnitten ihnen
den Fluchtweg ab.
    „Was hältst du davon, den Schreibtisch durchs Fenster zu
werfen?"
    Henry schüttelte den Kopf. „Das würde zuviel
Aufmerksamkeit erregen. Sie würden uns abfahren sehen und die Nummernschilder
überprüfen. Das käme nur in Frage, wenn wir den Wagen hierlassen, also aufgeben
wollen, und das haben wir sicher nicht vor."
    Die Bürotür ging zum Flur hinaus. Vicki stellte sich
rechts davon auf und wies Henry mit einer Handbewegung an, sich links zu
postieren.
    Als die Tür aufging, wandte Vicki den Kopf ab, damit ihre
empfindlichen Augen nicht vom grellen Flurlicht getroffen würden, packte die
Hand, die nach dem Lichtschalter an der Bürowand langte und zog den fremden
Mann, dem die Hand gehörte, mit einem Ruck ins Zimmer.
    Henry schloß die Tür.

Eigentlich hatte Dr. Wallace in den letzten Jahren stets
gedacht, es gäbe wenig, was er noch nicht gesehen hatte. Er hatte sich mit
siebzehn Jahren freiwillig zur Kriegsmarine gemeldet, hatte in Korea gekämpft,
war im Gegensatz zu vielen anderen, heil und an einem Stück wieder
heimgekehrt, hatte die Vergünstigungen, die ihm nach dem militärischen Einsatz
zustanden, genutzt, um Medizin zu studieren, hatte eine Zeitlang in Afrika bei
den fliegenden Ärzten gearbeitet, um sich dann schließlich mit einer
profitablen Internistenpraxis in North Vancouver niederzulassen. Wallace hatte
erlebt, wie der Tod ohne Vorwarnung kommt und hatte auch gesehen, wie er sich
in einem Menschen einrichtet, um diesen auf einer langen, intimen, finalen Reise
zu begleiten. Aber er hatte nie zuvor erlebt, daß der Tod ein Gesicht trug wie
das, das sich jetzt im Büro Dr. Muis über ihn beugte.
    Das Zimmer war fast dunkel; nur vom Parkplatz her drang
diffuses Licht durch die Fenster, und so konnte der Arzt wenig mehr erkennen
als Schattenrisse und ein paar silberne Augen. Klares Silber wie
blankpoliertes Metall oder Mondlicht, und diese Augen zogen ihn in Tiefen, die
viel finsterer waren, als sie nach logischem Ermessen eigentlich hätten sein
dürfen.
    Wallace hatte immer gehofft, er würde dem Tod ruhig
gegenübertreten können, wenn dieser letztlich kam, um ihn zu holen. Nun mußte
er feststellen, daß er so ziemlich alles tun würde, um am Leben zu bleiben
-wenn man ihn dazu auch nur ein wenig ermutigte.
    „Was wissen Sie über Ronald Swanson?"
    Das war nicht das, was Wallace erwartet hatte. Das war zu
banal, zu weltlich, zu menschlich.
    „Haben Sie mich gehört?"
    Die Drohung war unmißverständlich. „Er ist reich,

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