Huff, Tanya
sehen konnte, krallten nach
seiner Jeans und schnitten blutige Kratzer in seine bloßen Arme. Der Abhang
wurde steiler, Celluci schneller.
Er hob den linken Arm, um den Zusammenprall mit einem
plötzlich auftauchenden Schatten zu vermeiden und hätte um ein Haar laut aufgeschrieen,
als der Schatten sich als unnachgiebiger Baumstamm entpuppte, dessen
Bekanntschaft sein ramponiertes Handgelenk nur äußerst ungern machte. Mit dem
Schmerz kehrte auch das Schwindelgefühl zurück, und die Schatten um ihn herum
begannen, sich leise zu drehen. Dann verlor der Detective das Gleichgewicht,
und die Nacht rutschte seitlich von ihm weg.
Nun lief er nicht mehr, nun rollte er den Abhang hinunter,
kollidierte mit Felsen und Bäumen, jeder hart genug, ihm weh zu tun, aber
letztlich unfähig, seinen Fall zu bremsen. Er brach durch eine Art Unterholz
-ohne Dornen, das war alles, was er mitbekam und worum er sich scherte -,
beschleunigte sein Tempo, als er über eine Lichtung rollte und schlug an deren
anderem Ende gegen eine Stützmauer aus Beton.
Dann war die Welt für eine Weile nicht mehr vorhanden ...
„Ich warne dich, du Arschloch! Wehe, du hast dir wirklich
weh getan!"
... kehrte allerdings bald mit Schwung zurück.
Mike holte tief Luft — ein wenig erleichtert darüber, daß
das weit weniger schmerzte, als er gefürchtet hatte -, und als dann der Mond
wieder einmal den Wolkenvorhang beiseite schob, versuchte er, das Gesicht des
Mannes, der neben ihm kniete, in allen Einzelheiten zu erkennen. Die Sicht war
mitnichten perfekt, aber dennoch konnte der Detective deutlich wahrnehmen, daß
die ochsenhaften Züge des Pflegers äußerst besorgt und erschrocken wirkten.
„Das wird Frau Doktor nicht mögen ... wenn ich als Spender nicht mehr tauge.
Ich wette, Sie dagegen haben Nieren ... mit denen sich etwas anfangen
läßt..."
„Halt die Klappe. Halt bloß verdammt noch mal deine große
Klappe."
Der Schlag mit der offenen Hand traf Celluci seitlich am
Kopf, aber dem Detective tat jeder einzelne Knochen ohnehin derart weh, daß er
die Bewegung stärker spürte als den eigentlichen Schmerz.
„Auf! Zurück in das verdammte Gästehaus, und da feßle ich
dich derart ans Bett, daß du mich fragen mußt, wenn du atmen willst!"
„Sie werden mich ... dahin tragen müssen."
„Tragen? Ich schleife dich hinter mir her, wenn es nötig
ist!"
„Passen Sie auf ... daß Sie die Ware nicht
beschädigen!" Mit diesen Worten warf sich Mike auf Sullivans Füße und
versuchte, den riesigen Mann aus dem Gleichgewicht zu bringen. Wenn sie beide
auf dem Boden lagen, dann konnte mit ein wenig Glück ...
Fleischige Finger packten den Detective an der Hemdbrust
und rissen seinen Oberkörper vom Boden. Er sah die erhobene Faust gegen den Himmel
ragen, ein Schatten, der aussah wie eine Keule - und dann war Sullivan fort,
und Celluci fiel zurück und lag abermals flach auf dem Erdboden.
„Wie geht es Ihnen?"
„Fitzroy?" Celluci schluckte einen Mundvoll Blut,
stützte sich auf seinem guten Arm auf und ließ sich von Henry helfen, während
er leise schwankend aufstand.
Mitten auf der Lichtung hatte Vicki Sullivan in die Knie
gezwungen und preßte mit einer Hand die Haut unter dem kurzen Haar so heftig
zusammen, daß auf der Kopfhaut Beulen entstanden. Sie hatte den Kopf des Mannes
so weit überstreckt, daß die Muskelstränge an seinem Hals Schatten warfen. Ihre
Augen waren blasse Lichtpunkte in einem Gesicht voll schrecklicher,
unmenschlicher Schönheit, das Mike fast nicht erkannt hätte.
„Vicki?" Die Freundin wandte ihm ihren brennenden
Blick zu, und Celluci wußte genau, was sie gleich tun würde. Die Nacht war
warm, aber ihm wurde plötzlich ungeheuer kalt. „Nein! Töte ihn nicht!"
„Warum nicht?" Ihre Stimme klang so anders; sie paßte
genau zu Vickis Gesicht, war verführerisch, unwiderstehlich, tödlich.
Er brauchte die Antwort nicht zu rufen, nicht einmal, um
seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Vicki konnte sein Herz schlagen hören,
war
in der Lage zu vernehmen, wie sich das Blut unter seiner
Haut bewegte; da durfte er hoffen, daß sie auch seine Bitte verstand. „Weil ich
dich darum bitte. Laß ihn gehen."
Vicki richtete sich auf. Die leisen Worte erreichten sie
dort, wo Wut oder Furcht sie nicht erreicht haben würden. Sie gab ihren
Gefangenen frei, warf ihm keinen einzigen Blick zu, als er laut schluchzend zu
Boden sank und trat dann einen Schritt auf Celluci zu. „Laß ihn gehen?"
wiederholte sie, und ihre Stimme
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