Huff, Tanya
klang mit jedem Wort menschlicher. „Bist du
völlig meschugge? Er gehört mir!"
„Warum?"
„Warum? Wegen all dem, was er dir angetan hat!"
„Dann gehört er doch eher mir, oder?"
Ein Bruchteil der furchtbaren Schönheit wich leichter
Verwirrung.
„Vicki, bitte, tu es nicht."
Da ziehe ich die Grenze.
Von der Beute her roch es nach Angst, und Vicki wandte
sich wieder Sullivan zu. Nun, wo die Hand der Vampirin ihn nicht länger hielt,
wimmerte er, als er ihre Augen auf sich gerichtet sah und warf sich zurück,
dem Ausgang der Lichtung zu.
Der Hunger sang das Lied der Jagd, das Lied des Blutes.
Etwas anderes konnte Vicki nicht mehr hören.
Sie spannte die Muskeln, wollte loshetzen ... und dann war
alles vorbei.
Henry ließ Sullivan zu Boden fallen, und der Kopf des
toten Mannes rollte auf dem gebrochenen Nacken hin und her. Völlig ruhig, als
hätte er nicht gerade einen Menschen umgebracht, erwiderte Henry über die
Lichtung hinweg Vickis Blick.
Dann nickte er; Vicki wandte sich wieder Celluci zu, und
nun, wo keine panische Angst mehr in der Nähe zu riechen war, beruhigte sich
ihr Blut, und der Hunger verblaßte. Eigentlich hätte sie wütend sein sollen,
denn es hatte ihr schließlich ein anderer die Beute vor der Nase weggeschnappt.
Statt dessen empfand sie nichts als Dankbarkeit. Sie hatte am Rand eines
Abgrunds gestanden und geschwankt, aber es war ihr um Haaresbreite gelungen,
nicht zu stürzen. Rasch ballte sie die Hände zu Fäusten, denn sie wollte nicht,
daß ihre Finger zitterten.
„Ist er tot?"
„Ja."
Celluci sah von Henry zu Vicki und mußte sich eingestehen,
daß er bekommen hatte, worum er gebeten hatte. Vicki hatte es nicht getan;
Henry hatte es getan. Aber der Detective hatte Henry auch
früher schon töten sehen, in einer Scheune außerhalb des Städtchens London im
Bundesstaat Ontario. Was Henry war, das wußte er schon seit langem. Vampir,
Nachtwandler, unsterblicher Tod. Henry. Nicht Vicki. Celluci schloß die Augen.
Kaum hatte er die Lider gesenkt, da spürte er, wie sich ihm ein vertrauter Arm
um die Schultern legte und eine ebenso vertraute Stimme warm an sein Ohr
strich.
„Geht es dir gut?"
Er zuckte die Achseln, soweit er dazu angesichts der
Umstände imstande war. „Es ging mir schon besser."
„Brauchst du einen Arzt?"
Irgendwoher nahm er ein halbes Lachen: „Bloß nicht."
„Dann laß uns hier verschwinden. Henrys Wagen steht vorm
Haus." Sie zögerte, bereit, ihm den anderen Arm unter die Beine zu
schieben. „Darf ich?"
„Laß dir das bloß nicht zur Gewohnheit werden." Vicki
drückte kurz ihre Lippen gegen sein Gesicht und hob ihn dann vorsichtig hoch.
Er hielt die Augen geschlossen. Manchmal braucht die Liebe eine kleine
Hilfestellung, wenn sie blind sein will.
Swanson seufzte, als er in den Nisga Drive einbog und war
dankbar darüber, bald wieder zu Hause zu sein. Das Galadiner zur Unterstützung
der Transplant Society war eine höchst deprimierende Angelegenheit gewesen; die
meisten Gespräche hatten sich um Lisa Evans' überraschenden Tod gedreht, und
es war viel davon die Rede gewesen, wie sehr man sie und ihr offenes Scheckheft
doch vermissen würde.
Als kurz vor ihm nun ein Wagen auf die Straße bog, wäre
ihm das Entscheidende an diesem Fahrzeug um ein Haar entgangen: Das Auto kam
aus seiner eigenen Einfahrt. Drei Menschen schienen darin zu sitzen, aber
Swanson konnte nur den Fahrer klar erkennen, denn das Auto schoß mit einiger
Geschwindigkeit an ihm vorbei. „Gefährlich", sagte er zu sich selbst und
hätte nicht begründen können, warum. Ob jemand in seiner Abwesenheit das Haus
ausgeräumt hatte? Er fuhr zwischen den Zypressenreihen hindurch, schüttelte
den Kopf und schalt sich selbst einen Narren: Diebe fuhren selten BMW.
Aber dennoch: Hier in der Gegend war der Bentley das
bevorzugte Transportmittel. So weit hergeholt schien die Idee mit den Dieben
also gar nicht.
Das Haus machte einen ruhigen, unversehrten Eindruck.
Swanson hielt vor der Garage und betrachtete aufmerksam das Gebäude, das im
Glanz der hellen Halogenlampen, die aus Sicherheitsgründen überall an der
Einfahrt angebracht waren, schweigend dastand. Er haßte Überraschungen. Als er
seine Überprüfung abgeschlossen hatte, soweit das von außen möglich war, ließ
er den Wagen stehen, wo er ihn geparkt hatte und ging hinüber zur Vordertür.
An der Alarmanlage hatte sich niemand zu schaffen gemacht;
aber das mochte genausogut einfach nur heißen, daß sie einen der
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