Huff, Tanya
geht es hier lang?"
„Ja, aber ..." Doch Vicki war bereits verschwunden,
und Tony konnte seinen Satz nicht beenden. Statt dessen blickte er nun zu
Detective Sergeant Michael Celluci auf, mit dem er, als er noch auf der Straße
lebte, nie richtig gut ausgekommen war. Heute jedoch, das konnte Tony der Miene
des Detective entnehmen, würden sie die Vergangenheit begraben, um sich statt
dessen der gemeinsamen Gegenwart zuzuwenden.
„Ist er im Wohnzimmer?"
Tony seufzte. „Ja."
„Warum - wo er doch so fest an diese Reviersache
glaubt?"
„Er will beweisen, daß er recht hat."
Das verstand Celluci ebenso, wie Tony es verstanden hatte.
„Das kann ich ihm nicht verdenken. Hoffen wir, daß wir es alle überleben."
Gemeinsam gingen die beiden Männer ins Wohnzimmer, wobei
beide hofften, die dort herrschende Stille möge ein gutes Zeichen sein.
Henry stand am Fenster; in seinem Rücken hatten die
Lichter Granville Islands gerade durch die Dämmerung zu dringen begonnen. Er
hielt den Kopf hoch erhoben und hatte die Arme verschränkt. Er trug ein blaues
Seidenhemd, verwaschene Jeans und weiße Turnschuhe. Die Lippen hatte er so
fest zusammengepreßt, daß sie nur noch einen dünnen Strich bildeten; seine
Augen waren sehr dunkel.
Vicki stand an dem betont modernen Eßtisch, die Finger der
rechten Hand mit aller Kraft auf dessen grüne Glasoberfläche gepreßt. Sie hielt
den Kopf hochgereckt, und die Finger ihrer linken Hand öffneten und schlossen
sich in einem stetigen Wechsel. Sie trug ein blaues Seidenhemd, verwaschene
Jeans und weiße Turnschuhe. Ihre Lippen waren so weit hochgezogen, daß man die
Spitzen der Zähne sehen konnte. Ihre Augen glitzerten silbern.
Tony, der an der Schwelle stehengeblieben war, spürte, wie
die Spannung zwischen den beiden Vampiren immer mehr zunahm. Sie konnte
jeden Moment explodieren, ohne daß jemand auch nur ein
Wort gesagt hatte. Was dann? Dann würde es unausweichlich zu Gewalt kommen, und
Tony hätte beim besten Willen nicht sagen können, wie er dieser entgegentreten
sollte oder ob er überhaupt den Mut dazu aufbringen würde, vorausgesetzt, er
hätte gewußt, wie! Wie ein Kampf der beiden wohl aussehen mochte? Würde Blut
fließen? Oder versuchten Vampire instinktiv, eine Verschwendung dieses überaus
wertvollen Rohstoffs zu vermeiden?
Neben Tony ließ Mike einen spöttischen Blick durch den
Raum gleiten, pfiff leise durch die Zähne und bemerkte trocken: „Wie ich sehe,
seid ihr dabei, euch Uniformen zuzulegen. Was kommt als nächstes? Einheitsjacken?
Baseballkappen.7"
Tony warf dem anderen einen entsetzten Blick zu und trat
so weit zurück, daß ihm der breite Rücken des Detective notfalls Schutz bieten
konnte.
Das Stilleben zerbarst. Henry gab ein Zischen von sich und
sprang vor, aber bei Vicki gewann der Sinn für Situationskomik die Überhand
über den Instinkt. Sie starrte Henry an, blickte dann an sich selbst hinunter
und mußte kichern. „Mein Gott! Wir sehen wirklich aus wie die untoten
Kessler-Zwillinge."
Henry blieb mit bebenden Nüstern stehen und wandte sich
Vicki zu.
Sein Angriffsversuch hatte ihn vom Fenster weg tiefer ins
Zimmer hineinmanövriert. Vickis Lächeln wandelte sich in ein Knurren, und sie
zog sich hinter den Eßtisch zurück. „Komm mir nicht so nahe!" Sie wollte
nicht angreifen, war aber nicht sicher, ob sie es würde verhindern können,
wenn Henry sich ihr noch weiter näherte. Sie gab ihr Äußerstes, über den
Instinkt hinweg den Freund sehen zu können, den Liebsten, den Mentor, der sie
gelehrt hatte, sich in den Parametern ihrer neuen Existenz zu bewegen. Doch in
dem Wissen, was sie beide jetzt, in diesem Moment, waren, ging die Erkenntnis
dessen, was sie einander einst gewesen waren, immer aufs neue verloren.
„Hier ist mein Revier, Vicki!" Henry trat vor,
anmutig, tödlich. „Nicht deins. In meinem Revier hast du mir nicht zu sagen,
was ich zu tun und zu lassen habe."
„Zumindest reden sie miteinander!" murmelte Celluci an
niemand bestimmten gewandt. „Das ist doch schon ein Fortschritt."
Die beiden Vampire schenkten dem Detective keinerlei
Beachtung, und Tony wünschte aus ganzem Herzen, er möge den Mund halten.
An Vickis Kinnlade zuckte ein Muskel. „Du hast mich
hergebeten!"
„Du hast darauf bestanden, wir könnten
zusammenarbeiten", hielt er ihr spöttisch entgegen.
„Könnten wir auch, wenn du dein
Fürst-der-Finsternis-Gehabe einstellen und ein paar Schritte zurückweichen
würdest."
„Ich tue doch gar
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