Huff, Tanya
nichts, Vicki. Ich bin älter und
mächtiger als du. Du kannst nicht anders, du mußt mich als Bedrohung sehen und
reagieren."
„Als was siehst du mich denn?" grollte sie voller
Wut, weil seine Worte angedeutet hatten, daß er in ihr keine Bedrohung sah.
„Als etwas, das ich entfernen muß." Henrys Brauen
senkten sich, und seine Stimme klang schneidend. „Ich wünsche nicht, daß mir
ein Kind meine Jagdgründe kaputtmacht."
Noch ehe sie sich wirklich bewußt zum Angriff entschlossen
hatte, setzte Vicki auch schon über den Tisch. Ihre Hände griffen nach Henrys
Hals und fanden nichts als Luft. Noch im Sprung wirbelte sie herum, war aber
aus dem Gleichgewicht und hatte daher keine Chance, Henrys Gegenschlag
abzuwehren. Die Wucht dieses Schlags schleuderte sie gegen die Wand, und Henry
war über ihr, seine Finger bohrten sich in ihren Hals, noch ehe sie richtig auf
dem Boden lag.
Als Tony einen Schritt vortrat, legte sich eine große Hand
auf seine Schulter und zerrte ihn zurück.
„Nein", sagte Celluci leise. „Sie müssen das
austragen."
Erschrocken blickte Tony zu ihm auf. Er mochte nicht
glauben, daß Mike Celluci einen solchen Kampf zulassen wollte, aber der größere
Mann runzelte zwar besorgt die Stirn, ließ jedoch seine Hand unverwandt auf
Tonys Schulter und seinen Blick ebenso unverwandt auf den beiden Kämpfenden
ruhen.
Henry kniete auf Vickis Oberarmen; er hatte die Finger um
ihren Hals gelegt, und Vicki erstarrte. Sie sah Henry in die Augen und gestand
ihre Niederlage ein.
„Wir können nicht zusammenarbeiten", verkündete Henry
ohne jegliches Imponiergehabe, und seine Stimme klang nur noch flach und erschöpft.
„Du mußt hier sein, um deine Arbeit tun zu können. Also gehe ich. Ein Freund
stellt mir seine Hütte auf dem Grouse Mountain zur Verfügung. Ich reise jetzt
sofort ab und komme erst wieder, wenn du den Fall gelöst hast." Henry
wandte den Blick keinen Moment lang von Vickis Augen ab. Dann gab er ihren Hals
frei und stand auf.
„Also hast du bewiesen, daß du recht hast." Vicki kam
langsam wieder auf die Beine, wobei sie sich mit einer Hand an der Wand
abstützen mußte. „Macht dich das glücklich?"
Henry seufzte, und einer seiner Mundwinkel verzog sich zu
einem halben Lächeln. „Wenn ich ehrlich sein soll: nein."
„Bleib"', flüsterte Mike und ließ endlich Tonys
Schulter los. „Behalte sie im Auge, aber geh erst zu ihr, wenn sie sich
beruhigt hat."
„Halten Sie mich für meschugge?" gab der jüngere Mann
zurück. Er hatte die Augen weit aufgerissen, da das Adrenalin das Blut in
seinen Adern mächtig in Wallung gebracht hatte. „Wo gehen Sie hin?"
„Ich muß mit Fitzroy reden."
,Worüber?" Dann folgte Tony Mikes Blick und sah Vicki
dastehen, einfach nur dastehen, mit geschlossenen Augen, die linke Hand bis zum
Handgelenk in die Lederpolsterung des Sofas gebohrt. Sie keuchte. „Ach ja.
Schon gut."
Als Henry sich anschickte, mit einer schwarzen Tasche über
der Schulter die Wohnung zu verlassen, erwartete ihn Celluci an der Tür. Henry
blieb stehen, einen Gutteil des Eingangsbereichs noch zwischen sich und dem
viel größeren Mann, zu dem er, wäre er näher an ihn herangetreten, hätte
aufsehen müssen. „Sie haben mir etwas zu sagen?"
„Sie haben das mit Absicht gemacht."
„Was?"
„Den Kampf heraufbeschworen. Sie wußten, daß sie Sie nach
diesem Spruch würde angreifen müssen. Anders hätten Sie sie nicht davon überzeugen
können, daß Sie recht haben."
„Das haben Sie schlau erkannt, Detective". Prüfend
betrachtete Henry die Miene des anderen und wußte nicht genau, was darin zu
lesen war. „Werden Sie ihr das sagen?"
„Das weiß ich noch nicht. Aber ich würde Sie gern etwas
fragen: Was wäre, wenn Sie Unrecht hätten?"
Henry runzelte die Stirn: „Womit?"
„So, wie ich das verstanden habe, ist die Sache hier etwas
ganz Neues in der Geschichte von ... von ..."
.Vampiren?"
Celluci wurde rot. „Ja. Zum ersten Mal stehen sich zwei
von euch gegenüber, ohne um ein Revier kämpfen zu wollen, denn Vicki will Ihr
Revier nicht. Was, wenn sie beide sich auch hätten einigen können?" Celluci
breitete die Hände aus und trat zurück. „Das werden Sie jetzt nie
erfahren."
„Das werden Sie jetzt nie erfahren."
Den ganzen Weg zu seinem Wagen dröhnten Mikes Worte in
Henrys Ohren. Vickis Geruch lenkte ihn ab, im Fahrstuhl, in der Tiefgarage. Der
Geruch eines anderen Raubtiers in seinem Revier und der Duft der Frau, die er
einmal geliebt
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