Huff, Tanya
Anhaltspunkt!" In Vickis Kiefer
zuckte es, als sie Mike die Worte an den Kopf schleuderte. „Ein Name. Das ist doch
etwas."
Nein. Mike schwieg aber, denn hinter Vickis Streitlust
spürte er deut lich das verzweifelte Verlangen der Freundin
nach etwas, woran sie sich klammern konnte.
Wahrscheinlich
sollte ich froh sein, daß sie sich daran klammert und nicht an Fitzroy! Was konnte es schon schaden, sie gewähren zu lassen
und ihr zu helfen? Zumindest konnte er so in ihrer Nähe sein, und viel leicht
würde sie irgendwann das Bedürfnis haben, sich an ihn zu klam mern. „Wenn er in einem Wohnheim lebt, wo hat er
dann ..." Sag nicht: dei ne
Mutter! Es muß doch etwas Besseres geben! „... die Leiche?"
„Woher zum Teufel soll ich das wissen?
Jedenfalls schnappe ich mir gleich morgen früh als erstes das
Matrikelverzeichnis der Uni."
„Wie willst du das
machen?" Mike durchquerte das Zimmer und ließ sich auf die Couch sinken. „Einen Durchsuchungsbefehl hast
du nicht, und du kannst auch keinen
beantragen. Soll sich doch die Polizei darum kümmern! Fergusson scheint ja der ziemlich festen Überzeugung zu sein, daß
es Medizinstudenten waren. Bestimmt überprüft er die Uni."
„Na und? Mir ist egal, was Fergusson prüft.
Mir ist egal, ob sich die gan ze Polizei mit diesem Fall
befaßt." Vicki stand auf und stürmte in die Kü che.
„Ich werde diesen verdammten Hurensohn finden, und wenn ich ihn erst einmal habe, dann
..."
„Was?"
Mike sprang von der Couch und rannte der Freundin nach, wobei er einen Augenblick lang vergaß, daß Tom Chen nichts weiter war als ein Name. „Warum willst du ihn vor der Polizei
finden? Damit du dich an der
Ausübung von Gerechtigkeit beteiligen kannst?" Er packte Vicki bei den
Schultern und drehte sie mit einem Ruck zu sich um, wobei bei de dem Kaffee keine Beachtung schenkten, der aus
der Tasse in ihrer Hand spritzte.
„Letzten Herbst habe ich beide Augen zugedrückt, weil es keine Möglichkeit gab,
Williams vor Gericht zu bringen, ohne größeren Schaden anzurichten, als er es
wert war. Aber das gilt hier nicht! Laß das Gesetz die Sache regeln."
„Das
Gesetz?"
„Ja! Das, was zu
schützen du einst geschworen hast."
„Verarsch mich nicht! Du weißt, wieviel Personal das
Gesetz in einem solchen Fall hat. Ich werde den Typen finden."
„Gut - und
dann?"
Vicki schloß die Augen, und als sie sie wieder öffnete,
wirkten sie wie mit einem Schleier überzogen, und Celluci konnte nicht in ihnen
lesen. „Wenn ich ihn finde, wird er wünschen, nie Hand an meine Mutter ge legt zu haben."
Ihr ruhiger, unbeteiligter Ton traf Mike wie ein
Messerstich in den Un terleib. Er wußte, daß der Schmerz Vicki so reden ließ - und daß
jedes ihrer Worte ernstgemeint war. „Daran hat Henry schuld!" brummte er. „Von ihm hast du gelernt, das Gesetz in die
eigenen Hände zu nehmen."
„Gib
nicht Henry die Schuld!" In Vickis Stimme lag eine klare Warnung. „Für
mein Tun übernehme immer noch ich die Verantwortung."
„Ich weiß". Mike seufzte und fühlte sich plötzlich
ungeheuer erschöpft. „Aber Fitzroy ..."
„Weiß nicht, wovon ihr redet". Beim Klang der
Stimme drehten sich Vicki und Mike zur Tür. Henry ließ seinen
Blick zwischen beiden
hin- und herschweifen und nahm dann auf einem Küchenstuhl
Platz. „Wollt ihr mir erzählen, was
schiefgelaufen ist?"
Mildes Staunen lag in dem Blick, mit dem Henry Mike
anstarrte. „Was veranlaßt Sie zu glauben, ich wüßte, warum
die Leiche fort ist?"
„Na, weil Sie doch... weil Sie ein... weil Sie sind, was
Sie eben sind!" Nur, weil das Wort einmal laut ausgesprochen worden war,
war Mike noch lange nicht bereit, es selbst in den Mund zu
nehmen. Nicht direkt jedenfalls. „So etwas gehört zu den
Dingen, mit denen Sie sich auskennen, oder nicht?"
„Nein." Henry wandte sich an Vicki. „Vicki, es tut mir leid,
aber ich weiß wirklich nicht, wer heute Leichen raubt und warum."
Vicki zuckte die Achseln. Warum interessierte sie
eigentlich gar nicht; sie wollte nur wissen, wer.
„Außer es war gar kein Leichendiebstahl." Celluci
runzelte die Stirn, denn ihm war gerade eine neue, nicht gerade
erfreuliche Idee gekommen.
Henry kniff die
Augen zusammen. „Wie meinen Sie das?"
„Nehmen wir einmal an, Marjorys Leiche wurde nicht geraubt."
Mike grübelte weiter. „Nehmen wir einmal an, sie ist
aufgestanden und einfach gegangen."
Vickis Tasse
zerschellte auf dem Boden.
„Sie sind ja
verrückt!" zischte Henry.
„Wirklich?" Mike
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