Human
den die marsianischen Kolonisten sprachen, sehr gut verstehen. Die Titaniten stellte da schon ein ganz anderes Kaliber dar. Jeder, der einen käferäugigen schweren Marsianer für ein Extrembeispiel menschlicher Melds hielt, der hatte noch nie einen Titaniten erblickt. Das galt auch für Kruger, der jedoch gar keinen Bedarf nach einem derartigen Kontakt verspürte. Er wusste über extreme Melds Bescheid, weil er sich selbst einem der radikalsten unterzogen hatte.
Seit seinem sechzehnten Lebensjahr hatte er sich bereitwillig wieder und immer wieder verändern lassen, bis er aussah wie … ein Natural.
Inzwischen waren die Unterarmkanonen verschwunden, auf die er so stolz gewesen war. Dasselbe galt für die integrierten Seh- und Hörgeräte, dank derer sein Schädel jahrelang eher wie der eines Roboters als wie der eines Menschen ausgesehen hatte. Auch die für jedes Gelände tauglichen unteren Gliedmaßen besaß er jetzt nicht mehr. Faktisch sah er nun aus wie jeder andere Natural, nur dass er ein wenig größer und muskulöser war als der Durchschnitt. Wie ihm sein direkter Vorgesetzter, der mit leiser Stimme das letzte Vorstellungsgespräch mit ihm geführt hatte, durch das er auf seine aktuelle Position befördert worden war, berichtet hatte, bevorzugte es der SAHV , seine Feinde von Mitarbeitern einschüchtern zu lassen, die zumindest nach außen hin überhaupt nicht bedrohlich wirkten.
Doch auch wenn er dank seines äußerlichen Erscheinungsbilds jetzt wirkte wie ein kompletter Natural, war sein Gang als unvermeidliche Konsequenz zu vieler Operationen ein wenig steif. Von all seinen früheren Manipulationen hatte er nur ein einziges Meld zurückbehalten und seinem neuen Arbeitgeber versichert, dass es nur einem äußerst versierten Betrachter überhaupt auffallen würde. Die darauf folgende Diskussion führte schließlich zu dem Ergebnis, dass ihm sein rechtes Auge genehmigt wurde.
Ein einzigartiges System beweglicher organischer Linsen mit extrem miniaturisierten internen optischen Prozessoren, das ausgesprochen kompliziert und überdies sehr teuer war, ermöglichte es ihm nun, auch im Infrarotspektrum sehen zu können. Auf maximaler Brennweite konnte er es dadurch auf große Distanz mit der räumlichen Sicht eines Adlers aufnehmen. Dank muskelbetriebener Kompression grenzte sein Sehvermögen im Nahbereich ans mikroskopische. Het Kruger konnte Herzensangelegenheiten nicht nur erkennen, sondern mithilfe eines Flexskops auch direkt ins Herz blicken.
Kurz nach der letzten Operation hatte er festgestellt, dass ihm die Macho-Melds, die Waffen und die Accessoires gar nicht fehlten. Er war über diese oberflächliche Zurschaustellung von Feuerkraft hinausgewachsen. In einigen Vierteln wurden sie »Testosteron-Melds« genannt – und das war meist eher abfällig gemeint. Jetzt, mit Mitte vierzig, nachdem er über ein Vierteljahrhundert im Sicherheitsgeschäft arbeitete, musste Kruger keine Instrumente der Zerstörung mehr offen mit sich herumtragen, um seinen Job machen oder Starrköpfige überzeugen zu können. Normalerweise reichte es inzwischen aus, sie einfach anzusehen.
Das war auch bei den drei Diamantenwilderern der Fall gewesen, deren Entschlossenheit er rasch ins Wanken gebracht hatte, bis sie ein Geständnis ablegten. Ihr erbärmliches Flehen nach Mitleid hatte sie nicht retten können. Im Sperrgebiet war der SAHV Richter, Geschworene und Henker in einem. Einige nannten es einfach » Saft -Gerechtigkeit«. Aber eine solche direkte Rechtsprechung und Urteilsausübung war sehr lange Zeit völlig legal gewesen, zuerst unter den Deutschen, dann den Südafrikanern, den Namibiern und schließlich dem SAHV . Krugers Wissens nach war dies der einzige Teil der Welt, in dem diese Schnelljustiz realisierbar war. Zumindest auf legale Weise.
Der Fahrstuhl hielt zwei Etagen unter der Erdoberfläche an. Als Sicherheitsmaßnahme konnte man mit keinem der im Forschungskomplex vorhandenen Fahrstühle von ganz oben bis nach ganz unten fahren. Es war stets erforderlich, eine Strecke zwischen wenigstens zwei Lifts vertikal zurückzulegen, um die ganze Strecke zu fahren. Während Kruger den gut beleuchteten und angenehm klimatisierten Gang entlangging, grüßte er mit einem Blick oder einem Nicken alle, die er kannte. Er lächelte nie. Das lag vor allem daran, dass sein Lächeln stets gekünstelt wirkte, außerdem hätten jene, denen dieser Gesichtsausdruck gegolten hätte, dessen Falschheit auf den ersten Blick
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