Human
kein Busch, kein Grashalm störte die versengende Ruhe, die sich seinem Blick darbot. Er verließ das Lagerhaus und den Rest des trügerisch normal wirkenden überirdischen Teils der Anlage und schlenderte zielsicher auf die nächste Düne zu. Wie ein Klumpen polierter Obsidian glänzend huschte ein fetter Nebeltrinker-Käfer davon. Als Kruger die Düne erklomm, erschreckte er eine dort grabende Echse, die rasch im Sand verschwand, wo sie überleben konnte, indem sie die zwischen den Sandkörnern eingesperrte Luft einatmete.
An der Spitze angekommen, drehte er sich um und setzte sich. Das Panorama, das er nun erblickte, hätte die meisten Menschen abgeschreckt. Kruger fand es wie immer nur beruhigend.
Zu seinen Füßen schien der sichtbare Teil der Forschungsanlage aus nichts weiter als einer Anhäufung baufälliger Minengebäude zu bestehen, rechteckige Komplexe aus funktionellem grauem Metall, auf das der Rost Zebrastreifen gezaubert hatte. Wie vieles andere in der Namib befand sich auch der ultramoderne, fast schon sterile Großteil des Komplexes unterhalb des Sandes. Jenseits der trügerisch primitiven oberen Schichten der Anlage erstreckten sich Sand und Dünen in alle Richtungen, und die gelbe und ockerfarbene Erdoberfläche wurde nur von Falten aus gepeinigtem Fels oder Wölbungen rostig roten Steins durchbrochen.
Gegen den Rand dieser abgelegenen afrikanischen Küste wogten die eisigen Wellen mit weißer Gischt, die vom Benguelastrom aufgewirbelt wurden, dessen dunkelgrünes Wasser sich bis zum westlichen Horizont und darüber hinaus erstreckte – ein gewaltiger Ozean, der bis zur Küste von Südamerika reichte und nicht ein Mal unterbrochen wurde. Im Norden und Süden bot sich ein ebenso trostloser Anblick. Mit Ausnahme der SAHV -Anlage gab es in dieser schweigenden, baumlosen Wildnis keine Anzeichen auf eine menschliche Ansiedlung. Nur ein Geologe konnte diese gleichsam gequälte wie auch unberührte Landschaft lieben.
Zufrieden saß Kruger auf der hohen Düne. Die Einsamkeit war sein Freund, Neuankömmlinge stellten immer ein potenzielles Problem dar. Getrieben von der vom Meer wehenden Brise und die ersten Thermalwinde für den Auftrieb nutzend, sauste ein Meeresvogel auf elfenbeinfarbenen Schwingen an ihm vorbei. Vielleicht wusste er aus Erfahrung, dass er sich dort, wo sich Menschen niedergelassen hatten, im Allgemeinen vom Müll ernähren konnte.
Während der Vogel noch seinen jämmerlichen Schrei ausstieß, wurde er bereits von Kruger erschossen, der verstimmt war, weil er aus seiner Meditation gerissen worden war. Der Sicherheitschef des Komplexes verwendete keine so zögerliche Waffe wie einen Neuralisierer. Das kleine, aber explosive Projektil, das seine Handfeuerwaffe abschoss, atomisierte den unglückseligen Besucher bis auf wenige Federn. Diese segelten spiralförmig langsam zu Boden, wo der ahnungslose fliegende Eindringling kurz zuvor noch anmutig durch die Luft geglitten war.
Als er seine schmale, kompakte Waffe wieder ins Holster steckte, beobachtete Kruger, wie die Federn auf den Sand trudelten. Sie waren gerade erst auf dem Boden aufgekommen,als der Wind auch schon über die Düne fegte und sie mit sich riss. Kruger war beinahe enttäuscht, dass es ein echter Vogel und keine Spionageattrappe oder irgendeine clevere Version eines eindringenden Spionage-Melds gewesen war. Doch dann hatte er den Zwischenfall auch schon wieder vergessen und richtete seine ganze Aufmerksamkeit erneut auf die gewaltige Ausdehnung der leeren See. Die dunkelgrünen Wellen setzten ihren unerbittlichen, geduldigen Angriff auf die uralte Küste fort und hatten sich auch durch den kurzen, lauten Schuss aus seiner Waffe nicht erschüttern lassen.
Er verspürte keine Reue. Da er schon Menschen erschossen hatte, die unautorisiert eingedrungen waren, sah er keinen Grund dafür, bei einem Vogel eine Ausnahme zu machen. In dieser Zeit konnte man sich nie sicher sein, ob ein nicht menschlicher Eindringling real, synthetisch oder voller Melds war. Zu den wichtigsten Lehrsätzen seines Berufes gehörte nun mal, dass man keine Risiken einging. Als Konsequenz daraus traute er nichts, was auch nur ansatzweise lebendig war. Selbst ein Nebeltrinker-Käfer konnte einen ausgeklügelten Uhrwerkmechanismus enthalten. Und er war mit großer Sorgfalt, aber auch gewissem Stolz, stets darauf bedacht, die Sicherheit des ihm zugewiesenen Komplexes zu gewährleisten, selbst wenn er dessen Zweck nicht kannte.
Das war die größte
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