Human
ungewöhnlicher Look, und das galt nicht nur für Patienten, die sich auf eine Operation vorbereiteten. »Dann lieber lange rote Haare.« Dieses Erscheinungsbild gefiel ihr doch deutlich besser. »Vielleicht lasse ich sie auch ein wenig funkeln. Das habe ich bei einigen Krankenschwestern im Krankenhaus des Turms gesehen, aber ich fand es für jemanden in meiner Position nicht angemessen.«
Zur Linken ihres Begleiters war ein Seehund gerade dabei, in einer Pause während des abendlichen Auftritts um Spenden zu bitten. Die Hälfte des Geldes würde für die Aufrechterhaltung des Ballettprogramms genutzt werden und die andere Hälfte für den Kauf von Heringen. Whispr rückte mit seinem Stuhl ein bisschen weiter vom Ufer ab und versuchte, noch unauffälliger als sonst auszusehen.
»Tja, Doc … deine ›Position‹ hat sich geändert. Ich werde mich morgen nach einem guten, diskreten Melder erkundigen.« Er musterte die Paare, die zusammen mit ihnen auf der Plattform über dem Wasser saßen. Sie schienen alle völlig in das Ballett der Robben vertieft zu sein. Aber ein Firmenagent, der sie beobachtete, wäre natürlich sehr geübt darin, sich seine aktuelle Aufgabe nicht anmerken zu lassen und geschickt in der Masse unterzutauchen. »Und ich denke, es wird Zeit, das Hotel zu wechseln«, fügte er hinzu.
Ihrer Antwort war deutlich anzumerken, was sie von seinem Vorschlag hielt. »Das Hotel wechseln?« Sie deutete auf ihre Umgebung. »Aber wir sind doch gerade erst hier angekommen, und mir gefällt dieses Hotel.«
»Mir auch.« Er schob seinen Stuhl vom Tisch weg. »Doch die erste Regel, um nicht die Aufmerksamkeit von Lods und anderen unangenehmen Zeitgenossen zu erregen, lautet: Bleib nie mehr als zwei oder drei Nächte am selben Ort.«
***
Whispr suchte die nobleren Meld-Studios mit ihren Spa-artigen Erholungsräumen und den kostspieligen Anpassungsmöglichkeiten nach der OP in den teureren Gebieten von Kapstadt gar nicht erst auf, sondern gab sich mit einem im Geschäftsviertel des Hafens zufrieden, dessen Besitzer und Melder ihm wärmstens empfohlen worden war. Nachdem sie früher an diesem Morgen aus ihrem Hotel ausgecheckt hatten, trug Ingrid ihren an ihre Wirbelsäule angepassten Reiserucksack auf dem Rücken und betrachtete die Vorderseite des Ladens wenig enthusiastisch.
»Ich weiß nicht so recht, Whispr. Der sieht mir nicht allzu … sauber aus.«
»Anders als die Krankenhäuser, in denen du arbeitest, muss er auch nicht sauber aussehen, er muss nur die minimalsten Hygienevorschriften einhalten.« Er blickte die Sicherheitstür an, die in der Mitte des verwitterten Eingangs aus künstlichem Holz eingelassen war. »Ich habe diesen Biochirurgenin der Box und bei den Leuten auf der Straße überprüft. Er hat hier einen sehr guten Ruf.«
Durch eine Berührung der Tür aktivierte er eine automatisierte Antwort einer Synthstimme. Es wurden Informationen ausgetauscht. Sobald die Tür zu ihrer Zufriedenheit festgestellt hatte, dass die beiden Besucher weder von der örtlichen Polizei noch von den Gesundheitsbehörden geschickt worden waren, durften sie eintreten.
Patience Nonyameko war so klein wie ihr Vater, der Goldschürfer gewesen war, und so zart wie ein seltener Küstenvogel. Sie sah fast zerbrechlich aus, fand Ingrid. Aber an der hermetisch abgeschlossenen Operationskammer der Biochirurgin hatte sie nichts auszusetzen. Soweit es Ingrid erkennen konnte, waren die Instrumente, die dort auslagen, steril und modern. Das Vorhandensein einer bemerkenswert großen Anzahl an schweren Ausrüstungsgegenständen erstaunte sie jedoch so sehr, dass sie sich danach erkundigte.
»Viele meiner Kunden sind Seeleute, meine Liebe. Jene, die sich ein Meld zulegen wollen, entscheiden sich meist für recht extreme Manipulationen, mit denen sie sich die Arbeit erleichtern können.« Ihr Lächeln erinnerte an einen Regenbogen. Es war bezaubernd, und ihre Zähne hatten jedes Mal, wenn sie den Mund öffnete, eine andere Farbe. Das große Farbspektrum wurde durch veränderte, chromogeladene Speicheldrüsen ermöglicht.
»Dann sind da noch die verschiedenen, durchaus intensiven sexuellen Melds. Sie dürfen nicht vergessen, dass wir von Seeleuten sprechen, und deren Geschmack hat sich seit Jahrhunderten nicht groß verändert.« Als sie auf ein großes, in Metall gebundenes Buch deutete, glitt der bewegliche Band über den Tisch hinweg auf sie zu. »Wenn Sie einige Beispiele meiner …«
»Schon okay«, erwiderte
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